Englische eBooks: Schmutzige Affären mit dem Kino

Chinatown (1974)

Chinatown (1974)

Ein Streifzug durch die Filmgeschichte

Die Angelsachsen haben eine große Tradition des Schreibens über Film. Wenn also die Buchhandlung um die Ecke gerade nicht mit der Lieferung ­nachkommt – warum nicht mal zum englischsprachigen eBook greifen?

BFI Film Classics, ­Diverse, BFI Publishing

Für Filmfans, die sich intensiv mit dem persönlichen Lieblingsfilm auseinandersetzen wollen, gibt es kaum eine bessere Buchreihe als die Film Classics des Britischen Filmins­tituts. Von Stummfilmklassikern wie »Moderne Zeiten« über Blockbuster wie »Independence Day« bis hin zum internationalen Autorenkino von Agnès Varda, Akira Kurosawa, Lynne Ramsay, Fatih Akin und vielen anderen bieten die schön gestalteten Heftchen einen kompakten Überblick über jeweils einen Meilenstein der Filmgeschichte. Dabei haben die Verleger eine illustre Autorenrunde verpflichtet, die sich nicht nur aus FilmwissenschaftlerInnen zusammensetzt, sondern auch bekannte Autoren wie etwa Salman Rushdie (über den »Zauberer von Oz«) zu Wort kommen lässt. Zwei Highlights zum Reinschnuppern: Laura Mulveys brillante feministische »Citizen Kane«-Analyse und die Huldigung des Genreklassikers »Cat People« vom Horrorautor Kim Newman. Aktuell wird die Reihe um beliebte TV-Serien wie »Star Trek« und »Deadwood« erweitert.

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Werner Herzog: A Guide for the ­Perplexed, ­Paul Cronin, Faber & Faber

Es gibt auch bei uns lesenswerte Bücher über Werner Herzogs Schaffen, aber Paul Cronins ziegelsteindicker Interviewband ist die ultimative Chronik für alle Fans des bayerischen Originals – und auch für alle, die sich Herzogs umfassendem Werk erst noch nähern wollen. Darauf spielt auch der Titel des Buchs an, das als chronologischer Reiseführer durch den Dschungel von Herzogs Filmen fungiert. Von einer sympathischen Einführung Cronins abgesehen, ist der Hauptteil des Buchs im Frage-und-Antwort-Stil gehalten und gibt Herzog ausreichend Raum, um über halsbrecherische Anekdoten von seinen Filmsets zu berichten und sich gewohnt verschroben in Beobachtungen über das Kino, das Leben und die Welt zu ergehen. Teilweise geht Herzogs Selbstmystifikation zwar ein wenig zu weit, aber immer wieder überrascht der Regisseur auch mit bescheidenen Geständnissen wie diesem: »Verglichen mit anderen Filmemachern bin ich ein grüblerischer, bayerischer Ochsenfrosch, ein Landei, und außerstande, mit anderen Leuten über Kunst zu sprechen.«

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She Found it at the ­Movies, Christina Newland/­Diverse, Red Press

Die Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey prägte in den 70er Jahren den Begriff des »male gaze«, des männlichen Blicks. Demnach ist das (Hollywood-)Kino bestimmt von einer männlichen Perspektive, die Frauen zum Angeschautwerden verdammt und zu Lustobjekten degradiert. Dieser neue, hochgradig unterhaltsame Essaysammelband widmet sich nun der lange ignorierten weiblichen Lust am Kino, des »female gaze«. Die Verlegerin Christina Newland, Filmkritikerin für den »Guardian« und »Vice«, berichtet im Vorwort etwa von ihrer frühen Faszination für James Dean: »Meine schmutzige Affäre mit dem Kino begann, als ich mich in einen toten Filmstar verliebte.« In den folgenden, anekdotischen Artikeln erzählen die weiblichen und nicht-binären, cis und queeren Autorinnen unter anderem vom sexuellen Erwachen mithilfe von ­Grease, der bedrohlich-verführerischen Ausstrahlung von Bösewichten und dem Herzklopfen, das Gene Kellys Hintern hervorruft. Die Texte sind durchweg kurzweilig und tragen mit ihrer Verschiebung der dominanten Rezeptionsperspektive einen frischen, subversiven Twist zum Verständnis filmischer Erotik bei.

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The Big Goodbye, Sam Wasson, Faber & Faber

Ein neues Buch über »Chinatown« erscheint zunächst wie aus der Zeit gefallen: Roman Polanskis Film Noir aus dem Jahr 1974 mag als Meisterwerk anerkannt sein – die Auseinandersetzung mit dem Regisseur ist derzeit jedoch mehr als problematisch. Sam Wassons exzellent geschriebenes Buch aber liefert überzeugende Argumente dafür, warum ein fokussierter Blick auf diesen grandiosen Film noch immer lohnt. »The Big Goodbye« erzählt vom Verlust der Unschuld sowohl auf individueller wie filmindustrieller Ebene. Einerseits folgt Wasson seinen Protagonisten – Roman Polanski, Jack Nicholson und Autor Robert Towne – und beschreibt schonungslos, wie alle drei nach dem Großerfolg von »Chinatown« von ihren persönlichen Dämonen eingeholt wurden; andererseits argumentiert der Autor für »Chinatown« als letztes, glorreiches Aufbäumen der »New Hollywood«-Bewegung der 60er und 70er Jahre. Was folgte, war die zunehmende Vereinnahmung der kreativen Köpfe dieser Welle durch die Umstrukturierung der Filmstudios zu Medienkonzernen, wie wir sie heute kennen. Ein faszinierendes, melancholisches Stück Filmgeschichte. 

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Splatter Capital, Mark ­Steven, Watkins Media

Der Splatterfilm fristet ein geächtetes Dasein am Rande der Filmwelt – daran ändern auch finanzielle Erfolge nichts. Genau in dieser Randstellung, so argumentiert der Filmwissenschaftler Mark Steven in diesem famosen Bändchen, liegt aber die andauernde politische Relevanz des Splatterfilms begründet. Denn parallel zu seiner eigenen Ausgrenzung aus der respektablen Filmwelt solidarisiert sich der Splatterfilm, so der Autor, grundsätzlich mit den Armen, Ausgebeuteten und Marginalisierten. Steven interpretiert das drastische Sub­genre des Horrofilms – mit Beispielen von »Blood Feast« (1963) bis »Hostel« (2005) – als die deutlichste Form popkultureller Auseinandersetzung mit kapitalistischer Ausbeutung. In der Kannibalenfamilie des »Texas Chainsaw Massacre« sieht er die Verwahrlosung der ländlichen Arbeiter im post-industriellen Amerika; die osteuropäische Folterfabrik in »Hostel« steht bei ihm für die zunehmende Verschiebung von unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Schwellenländern. Dabei lässt der Autor auch immer leisen Humor anklingen und macht aus seiner eigenen Fanposition keinen Hehl. Ein ebenso erhellendes wie vergnügliches Buch. 

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