Buch-Tipp: »Fulci. Filme aus Fleisch und Blut«
»Ein Zombie hing am Glockenseil« (1980)
An Lucio Fulci scheiden sich die Geister. Für die einen ist er jemand, der sich in drastischen Bildern ausgestochener Augen erschöpft, für die anderen ein kompetenter Genreregisseur mit einer eigenen Handschrift.
Sechzehn Autor*innen nähern sich hier in vierzehn Beiträgen dem Werk von Fulci; im Mittelpunkt stehen seine Horrorfilme und Gialli, von »Woodoo – Schreckensinsel der Zombies« bis »Don't Torture a Duckling« (Quäle nie ein Kind zum Scherz). Es sind Texte von Akademikern, die häufiger Lacan zitieren, dabei aber nie unverständlich sind. Am besten haben mir die gefallen, die ihr Erkenntnisinteresse mit eigenen Seherfahrungen verknüpfen; deutlich wird, welchen Reiz diese Filme auf »Teenager in den achtziger Jahren« ausübten. Vom »Überschreiten von Tabugrenzen« schreibt Christian Keßler in »Eine Jugend im Schatten der Zensur«, während sich für Andreas Marschall eine Szene aus »Ein Zombie hing am Glockenseil«, seinem ersten Fulci-Film im Kino, als »größte anzunehmende Scheußlichkeit« eingebrannt hat, und Jörg van Brincken bekennt: »mir wurde übel, als ich vor mehr als dreißig Jahren zum ersten Mal einen Film von Lucio Fulci sah«. Er erkennt, »dass Fulci das Ekelerregende eben nicht als schnellen und billigen Reiz ›ausschlachtete‹, sondern an dessen expliziter Darstellung seine ganz eigene und unverwechselbare ästhetische Handschrift entwickelt.« Oder, wie Patricia MacCormack analysiert: »Es geht nicht so sehr darum, was passiert oder warum es passiert, sondern wie es passiert. Das ist es, was diese Bilder so verführerisch macht.«
Auf schwerem Kunstdruckpapier kommen die zahlreichen Abbildungen gut zur Wirkung. Was ich vermisst habe, ist eine vernünftige Filmografie – die den Texten vorangestellte Liste bietet lediglich eine Titelaufzählung (wechselnd zwischen Italienisch, Deutsch und Englisch) aller Werke, an denen er von 1948 bis 1991 beteiligt war. Auch hätte man gern gewusst, wie es um die Qualtität der Home-Entertainment- Veröffentlichungen bestellt ist – wohl eine Grauzone, nicht zuletzt wegen zahlreicher Indizierungen (ein aufschlussreicher Text widmet sich der deutschen Zensur von Fulcis Filmen). Am besten legt man sich ergänzend Stephen Throwers definitives Buch »Beyond Terror. The Films of Lucio Fulci« (erweiterte Ausgabe 2017) zu.
Der Erstauflage liegt eine DVD bei, auf der 88 Filmschaffende in kurzen Beiträgen über ihre Zusammenarbeit mit Fulci berichten. Die Frage von Mike Baronas, der diese Interviews im Lauf von Jahren geführt hat, lautete: »Welches ist Ihre schönste Erinnerung an Lucio Fulci?« Die Antworten reichen von »nett und liebenswürdig« bis »er war oft grausam«. Und lassen die Qualitäten wie die Abgründe Fulcis erkennen.
Pelle Felsch/Marcus Stiglegger (Hg.): Fulci. Filme aus Fleisch und Blut. Verlag »Deadline – Das Filmmagazin«, St. Ingbert 2019, 287 S., 34,99 € (Erstauflage mit DVD, 220 Min.).
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