Ausstellung: Die Wunderkammern des Wes Anderson
Foto: Kunsthistorisches Museum Wien
Künstler als Kuratoren: im Kunsthistorischen Museum in Wien hat das bereits Tradition, nach Ed Ruscha (2012) und Edmund de Waal (2016) durfte jetzt erstmals ein Filmemacher eine Ausstellung kuratieren, bei der Objekte das Licht der Öffentlichkeit erblicken, die sonst in den Depots ein Leben im Verborgenen fristen.
Insgesamt 423 Ausstellungsstücke präsentiert die Ausstellung in gerade einmal acht gebauten und miteinander verschränkten, eher engen Räumen. Dafür durften sich Anderson und seine Partnerin, die Autorin und Illustratorin Juman Malouf, nicht nur in den verschiedenen Sammlungen des Museums, sondern auch in vier weiteren Wiener und einem Innsbrucker Museum bedienen.
Wer die Filme von Wes Anderson (zuletzt »Grand Budapest Hotel« und der Animationsfilm »Isle of Dogs«) kennt, der weiß um dessen Vorliebe für liebevoll handgefertigte Details, etwa die eigens gestalteten Buchumschläge in den »Royal Tenenbaums«, selbst wenn diese nur kurz im Bild erscheinen.
Gleich das dritte Bild im ersten Raum der Ausstellung zeigt eine »Kunst- und Raritätenkammer« – das ist durchaus programmatisch für die Ausstellung. Während hier jedoch vor einer Wand mit Gemälden weitere Gegenstände eher ungeordnet auf einem Tisch liegen, lebt die Ausstellung von Reihungen und exakt geplanten Ordnungen. So werden etwa präparierte Tiere mit der Blickrichtung so ausgerichtet, dass es wirkt, als würden sie sich zu einem Prozessionszug zusammenfinden, andere werden mit zugewandter Blickrichtung einander gegenübergestellt, wobei der Leopard und das Krokodil sich anzulächeln scheinen anstatt die Absicht zu hegen, im nächsten Moment aufeinander losgehen zu wollen. Die Objekte stammen dabei aus verschiedensten Epochen und Kulturkreisen, würden also, wissenschaftlich geordnet, nie so zusammenfinden wie in dieser Ausstellung.
Die Ordnungsprinzipien der einzelnen Räume mögen auf den ersten Blick einfach, geradezu banal erscheinen: so sind im zweiten Raum ausschließlich grüne Objekte, im sechsten nur Gegenstände aus Holz versammelt, während der siebte Gemälde zeigt, auf denen Kinder, allesamt künftige Herrscher, posieren, meist schon in den Roben der Erwachsenen. Der dritte ist Tierischem vorbehalten, hier finden sich auch die meisten Objekte, darunter auch, hervorgehoben durch eine eigene Vitrine, das Objekt, welches der Ausstellung den deutsch-englischen Titel gab, der altägyptische Sarg einer Spitzmaus. Viele der Ausstellungsgegenstände sprechen für sich selber, formulieren die Lust am Kleinen & Kuriosen gegenüber dem Triumphalen großflächiger Gemälde. Andere gewinnen durch ihr Nebeneinander. Der Zuschauer als Staunender ist hier gefordert, Erklärungen werden auch im Katalog nicht geliefert. Wer etwa wissen will, was es mit den eindrucksvollen drei Porträtgemälden der »Haarmenschen« aus dem 16. Jahrhundert gleich im ersten Raum auf sich hat, muss hinterher ein Lexikon (oder das Internet) konsultieren.
Keine Frage, mit der Ausstellung ist es Wes Anderson gelungen, »Licht in einige Ecken (zu) richten, die bislang zu düster waren, um sie bequem in Augenschein zu nehmen«, wie er selber im Begleitheft formuliert – das Wort »bequem« wirkt in diesem Kontext allerdings ein wenig ironisch, denn bequem ist diese Ausstellung, die möglicherweise rekordverdächtig ist im Hinblick darauf, eine Vielzahl von Klein-Objekten auf allerengstem Raum zusammenzubringen, nicht unbedingt: manche der in die Wände eingelassenen Vitrinen sind so niedrig platziert, dass der Besucher schon in die Hocke gehen muss, will er die Objekte darin genauer betrachten – die Mühe ist es aber wert..
Auf der Website des Museums kann man einen einminütigen Trailer sehen, den Anderson gestaltet hat: mit seiner raschen Abfolge von Ausstellungsobjekten ein sehr minimalistischer Appetithappen; hilfreicher ist da die knapp achtminütige Einführung, die dort ebenfalls zu sehen ist: sie bietet einen guten Überblick und sollte helfen bei der Entscheidung, ob sich ein kurzfristiger Trip nach Wien lohnt.
Natürlich reiht sich auch die Verpflichtung eines prominenten Künstlers als Kurator einer aktuellen Ausstellung in das immer wichtiger werdende Eventmanagement des Ausstellungsbetriebes ein. Das konnte man schon in dem außergewöhnlichen Dokumentarfilm »Das große Museum« sehen, in dem vor einigen Jahren Johannes Holzhausen das Kunsthistorische Museum selber porträtierte, dabei die restauratorischen Arbeiten kontrastierte mit den ökonomischen Zwängen, die sich weltweit immer mehr durchsetzen. Wenn die Ausstellung aber, wie in diesem Fall, sonst der Öffentlichkeit verborgene Schätze zugänglich macht und dabei auch noch einige originelle Zusammenführungen erkennen lässt, dann nimmt man das gerne in Kauf.
»Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures«. Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien, noch bis 28.4.19, ab Oktober in Mailand in der Fondazione Prada; Katalog (dt./engl. im Verlag der Buchhandlung Walther König): 176 S., € 30,-.
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