Serien-Tipp: »The Marvelous Mrs. Maisel«
»The Marvelous Mrs Maisel« (2017). © Amazon/Sarah Shatz
Eine Frau erkämpft sich in den repressiven fünfziger Jahren einen Platz in der von Männern dominierten Branche der Stand-up-Comedy: Das hat auf den ersten Blick den Anschein eines Pflichtprogramms, ist es doch genau das, was der Doktor verschreibt gegen die grassierende Misogynie: Emanzipationsgeschichte mit weiblicher Heldin im Zentrum! Aber Amy Sherman-Palladino versteht es, solche ideologischen Erwartungen aufs Angenehmste zu enttäuschen. »The Marvelous Mrs. Maisel« ist tatsächlich mehr eskapistisches Märchen als sozialkritische Beleuchtung der New Yorker Comedy-Szene oder gar Inspiration fürs Hier und Heute.
Das beginnt mit der Heldin im Zentrum, die als treu sorgende Hausfrau und Mutter ihren stressigen Alltag erledigt, als wäre er ihr liebstes Hobby. Haushalt, Kinder, Eltern und Ehemann mit Komikerhobby – Midge (mit so viel Pfiffigkeit und Energie von Rachel Brosnahan gespielt, dass man sich schwertut, in ihr die tragische Rachel aus »House of Cards« wiederzuerkennen) ist allen zu Diensten, putzt die Nasen ihrer Kleinen, pariert mit Witz die Mahnungen ihrer aufs Erscheinungsbild fixierten Mutter (Marin Hinkle), muntert im nächsten Moment den grummeligen Vater (Tony Shaloub) auf und besticht dann mit Charme und einem Rinderbraten unterm Arm den Clubbesitzer, der ihrem Gatten einen Comedy-Auftritt beschaffen soll. Und das alles mit einem Lächeln auf den Lippen und bestens sitzender Frisur. Sie funktioniert derart perfekt, dass man ihr den Zusammenbruch, den sie in der ersten Folge der Serie erleidet, fast gönnt.
Denn es kommt der Auftritt, bei dem der werte Gatte die Ratschläge seiner Frau einmal berücksichtigt und, statt von anderen abgekupferten Witze zu erzählen, eigenes »Material« probiert – und damit grausam durchfällt. Er macht sie dafür verantwortlich und sich von dannen. Noch in derselben Nacht greift Midge selbst zum Mikrofon – und siehe da, das Clubpublikum hängt ihr an den Lippen. Sie hat Talent zur »Comedienne«, das erkennt in dieser Nacht nicht nur sie selbst, sondern auch die Clubmanagerin Susie (Alex Borstein), die bald ihre Agentin wird. Aber so geradlinig, wie es in einem Spielfilm wäre, funktioniert der Aufstieg in einer Serie natürlich nicht. Es dauert ganze sieben Folgen, bis Midge ihre »tight ten«, ihre Zehn-Minuten-Routine von gut getimten Jokes, zusammenhat. Und davor und danach laufen die Dinge dauernd aus dem Ruder.
Aber das Mäandern, das manche vielleicht gegen die Serie und überhaupt gegen serielles Erzählen aufbringt, ist zugleich einer ihrer besten Züge: Während der Plot auf der Stelle tritt, mit Rückschlägen und Etappensiegen, hat man Zeit und Atem, sich dieses nostalgisch gezeichnete Fünfziger-Jahre-New-York zu betrachten, in dem Frauen zum Mantel passende Hüte trugen, das Wort Gentrifizierung noch unbekannt war und die Polizei einschritt, wenn unanständige Witze erzählt wurden. Ganz anders als in Matthew Weiners »Mad Men« geht es hier nicht darum, eine vergangene Epoche nachzuerleben und neu zu betrachten. Was Amy Sherman-Palladino inszeniert, ist Retro als Flucht nach vorne. Unrealistisch ist nicht der Mangel an Schmutz auf New Yorks Straßen, sondern das Reden der Figuren, die mit Sätzen wie mit Wurfmessern jonglieren – und immer wieder ins Schwarze treffen. Die flinke und dabei höchst elegante Sprachakrobatik aber feiert das Wesen der Stand-up-Comedy: Unglück und Ärger durch Reden in Witz zu verwandeln. »The Marvelous Mrs. Maisel« bietet eine herrliche Gelegenheit, bei diesem Prozess Zeuge zu sein.
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