DVD-Tipp: Schlöndorffs »Baal«
1918 schrieb Brecht, damals 20 Jahre alt, sein erstes Stück »Baal«, das zum Skandal wurde und schnell wieder von der Bühne verschwand. 1969 spielte Fassbinder, 24 Jahre alt, in Schlöndorffs TV-Film den Dichter Baal, ein Ekel, einen brutalen Zyniker, der die Menschen verachtet, missbraucht. Helene Weigel und die Brecht-Erben haben danach weitere Aufführungen ohne genauere Begründung verboten. Erst jetzt ist der Film wieder zu sehen, er lief in einigen Kinos, nun ist er auf DVD zugänglich.
Endlich also hat Baal, wohl auch ein Alter Ego des jungen Brecht, in Fassbinder die adäquate Verkörperung gefunden. Außerdem treten, meist in Minirollen, Schauspieler des Antitheaters und der ersten Fassbinder-Filme auf, Hanna Schygulla, Günther Kaufmann oder Irm Hermann, nur Margarethe von Trotta und Sigi Graue haben etwas größere Rollen. So ist »Baal« auch ein film- und theatergeschichtliches Dokument.
Brecht selbst mochte »Baal« nicht. Trotzdem ist es ein großer Wurf, vor allem wenn man es als Ballade liest. Der lyrische Ton des frühen Brecht macht aus »Baal« große Literatur, beginnend mit dem »Choral vom Großen Baal«: »Als im weißen Mutterschoße aufwuchs Baal / War der Himmel schon so groß und still und fahl /Jung und nackt und ungeheuer wundersam / Wie ihn Baal liebte, als Baal kam.«
Fassbinder spricht die Verse nicht poetisierend, sondern fast emotionslos. So entfalten sie ihre Wucht, ihre unsentimentale Tristesse. Sie führen in den Tod, durch heruntergekommene Wohnungen und Kneipen, Vorstadtstraßen und Wälder, die abgeholzt werden. Schlöndorffs spartanische Regie trifft diesen Ton genau, sie ist frei von jeder Wehleidigkeit, sie hat eine Härte, wie sie der junge deutsche Film damals sonst kaum kannte. Dazu trugen auch die Bilder Dietrich Lohmanns bei, der dann Fassbinders Kameramann wurde.
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