DVD-Tipp: »Sergej Eisenstein«
»Oktober« (1928)
Vor allem zwei Stummfilme prägen immer noch die Wahrnehmung Sergej Eisensteins: Panzerkreuzer Potemkin (1926) und Oktober (1928). 2007 wurde die bisher definitive Restaurierung von Panzerkreuzer Potemkin von Transitfilm veröffentlicht. Jetzt ist in der Edition Filmmuseum eine Doppel-DVD erschienen, die die deutsche Premierenfassung dieses Films von 1926, die Tonfassung von 1930 mit dem in Wien wiedergefundenen Schallplattenton, die für das ZDF restaurierte Fassung von Oktober und ein 35minütiges Fragment der deutschen Fassung des Films, alle mit der Musik beziehungsweise den Tonaufnahmen von Edmund Meisel versehen, präsentiert.
Zusätzlich ist die Rekonstruktion des kurzen Zeichentrickstummfilms Die kleine Schraube beigefügt, der mit der aufgrund der Tonfilmbildfrequenz doch vergleichsweise kurzen Tonfilmfassung von Panzerkreuzer Potemkin zusammen aufgeführt wurde. Leider ohne musikalische Begleitung, allerdings ist auch kein kompositorisches Material erhalten. Vervollständigt wird die Edition der beiden sowjetischen Revolutionsfilme durch ein Booklet und einen umfangreichen CD-ROM-Teil.
Ein merkwürdiger Effekt stellt sich ein. Natürlich wird das kinematographische Genie Eisenstein bestätigt. Aber selbst in der vereinfachenden Schnittfassung Piel Jutzis von Oktober, der das Montagekonzept des Films massentauglicher machte (und dadurch vielleicht auch dessen weltweite Verbreitung unterstützte), und ebenso in der Tonfassung bleibt die suggestive Gewalt des Films weitgehend erhalten. Oktober entpuppt sich als sinnlicher Tanz, der frei nach Marx die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringt, auch wenn die ursprüngliche Fassung nicht mehr erhalten ist. Die Unterstellung eines Propagandafilms lässt sich nicht halten.
Aber das eigentlich Überraschende ist die (Wieder-)Entdeckung des (Film-)Komponisten Edmund Meisel. Der deutschen Stummfilmfassung des Panzerkreuzer Potemkin, die den revolutionären Charakter der Ereignisse von 1905 auf eine vereinzelte Revolte aus Unzufriedenheit herunterstuft, möglicherweise um der Zensur zu entgehen, verleiht seine Musik (wieder?) die Kraft einer Naturgewalt.
Bei Oktober pointiert die Komposition, die von Bernd Tewes für die Restaurierung eingerichtet wurde, den Massencharakter der Ereignisse, der aus individuellen Elementen entsteht. Die Tonfilmfassung lässt sich als Experiment begreifen, Sprache, Musik und Geräusche so zu verbinden, dass sie mit den Stummfilmbildern ein überzeugendes Ganzes eingeht. Hier deutet sich die Vorstellung eines Gesamtkunstwerkes an, das der Gegenwart verpflichtet ist. Das ist nahe an den Überlegungen Eisensteins zum Ton.
Das Booklet und der CD-ROM-Teil versammeln Texte zu den Filmen, Zulassungsbescheide, Partiturauszüge und – am spannendsten vielleicht – Dokumente zum Schaffen Edmund Meisels. Selten wird in derart knapper Form die Bedeutung von Filmmusik so gelungen herausgestellt.
Panzerkreuzer Potemkin & OktjabrUdSSR 1925 und 1928.
R: Sergej Eisenstein.
Extras: Kurzfilm Die kleine Schraube u. a.
Anbieter: edition filmmuseum.
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