DVD-Tipp: "Boyhood"
So wahrhaftig wie das Leben, nur mit einem besseren Soundtrack und mit schlagfertigeren Dialogen: Nach vielen Filmen, die im überschaubaren Zeitraum eines Tages spielen, begleitet Richard Linklater hier seine Helden kostbare zwölf Jahre lang, überträgt sozusagen das Dokumentarfilmprinzip der Langzeitbeobachtung auf einen Spielfilm. Während die Kinder vor der Kamera erwachsen werden, altern die Erwachsenen, jedes Jahr trafen sie sich vier Tage zum Drehen, ein logistisches Risiko bei bekannten Darstellern wie Ethan Hawke oder Patricia Arquette, das alle nur allzu gerne auf sich nahmen. Das Leben eines Jungen von seinem fünften bis zum achtzehnten Lebensjahr: Aus dem kleinen, versponnenen Quertreiber, den seine Mutter in den ersten Szenen des Films von der Schule abholt, wird im Lauf der Jahre ganz im Sinne der Linklater’schen Lebens- und Kinophilosophie ein liebenswert linkischer Querdenker.
Fast unmerklich vergeht die Zeit, fließend von einem Schnitt zum nächsten fällt einem eine veränderte Frisur auf, lang, kurz, gefärbt, und aus beiläufigen Bemerkungen erschließen sich größere Umbrüche im Leben, wechselnde Lebensgefährten, Geburtstage, Schulabschlüsse. Zeitliche Orientierung bieten musikalische Landmarken und politische Ereignisse, über die gesprochen wird, der Irakkrieg, der Obama-Wahlkampf, in dem die Kinder mit ihrem Vater Wahlplakate aufstellen, die aufziehende NSA-Affäre. Dabei wurden die Schauspieler (darunter auch Lorelei Linklater, die Tochter des Regisseurs) zu Kollaborateuren, deren Vorlieben und Eigenheiten in einen Film einfließen, der bei jedem Sehen aufs Neue einen sanften Sog entwickelt, mit einem unglaublichen Reichtum an Gedanken und Gefühlen von Heranwachsenden und Eltern, mit so betörend natürlicher Leichtigkeit und Komik, dass man sich am Ende der fast drei Stunden sehnlichst wünscht, es würde einfach so weitergehen.
Vielleicht schaut Richard Linklater in ein paar Jahren ja doch noch mal bei seiner Filmfamilie vorbei, so wie er das alle acht Jahre bei Ethan Hawke und Julie Delpy tat, den Liebenden der Before-Serie. Schade nur, dass die BluRay weder deutsche noch englische Untertitel hat.
Anbieter: Universal Pictures
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