»Game of Thrones: Dragonstone« (S07E01)
Foto: © Helen Sloan/HBO
Winter ist da. Endlich! Mit »Dragonstone« (S07E01) geht »Game of Thrones« in seine siebte und vorletzte Runde. Die verbleibenden Teilnehmerinnen und wenigen Teilnehmer des tödlichen Machtspiels um Westeros müssen sich warm anziehen, um es in die Endausscheidung zu schaffen: White Walkers und Zombieriesen im Norden, Drachen und Pferdekrieger im Südosten, und dazwischen jede Menge Raum für Intrigen, Heldentum und Tod
Statt an die hohe Handlungsdichte des spektakulären Finales des letzten Jahres anzuknüpfen, besinnt sich »Dragonstone« auf die bewährte Erzähltradition der HBO-Serie, die neue Staffel mit einer langsam sich entfaltenden Exposition zu beginnen, die kommende Katastrophen und Wendepunkte sorgsam vorbereitet. Jon rüstet den Norden zur Verteidigung gegen den drohenden Angriff der White Walkers auf, Sam findet in der Bibliothek von Oldtown einen ersten, nützlichen Hinweis und Dany landet mit ihrer Armee in Westeros. Derweil sucht die von Feinden umzingelte Königin Cersei in Euron Greyjoy einen neuen Verbündeten, nachdem Arya im Prolog der Folge Haus Frey komplett ausgelöscht hat. Die Szene in den Twins setzt den dunklen Ton einer Staffel, die noch einige blutrünstige Tode bereit halten wird. Gleichzeitig verweist das Frey-Massaker auf das Geheimnis der komplexen Erzählung von »Game of Thrones«, in der sich Handlungsstränge in geschickter Raum-Zeit-Verschachtelung übereinanderschichten.
Wie kaum eine andere TV-Serie zeichnet sich »Game of Thrones« durch sein räumliches Erzählen aus. Jede Folge springt zwischen verschiedenen Handlungsorten hin und her, Figuren bewegen sich unaufhörlich von A nach B, bis jeder Winkel der im berühmten Titelvorspann zur Schau gestellten Karte von Westeros erkundet wurde. In »Dragonstone« erreichen Bran und Meera die Mauer und werden vom neuen Lord Commander Eddison Tollett in Empfang genommen. Jon schickt Tormund Giantsbane und die Wildlinge zur Unterstützung der Nachtwache zur Festung Eastwatch-by-the-Sea, wo er den Angriff der White Walker erwartet. Auf Cerseis Einladung trifft Euron Greyjoy in King’s Landing ein und bietet der Königin seine Iron Fleet zur Unterstützung an, sollte sie sich bereit erklären, ihn zu heiraten. Als die Königin den Vorschlag in Rekapitulation seines zweifelhaften Charakters ablehnt, verlässt der Krakenlord abrupt die Hauptstadt im Versprechen, mit der feinsten Gabe zurückzukehren.
Unter den vielen Orten bilden wiederkehrende Schauplätze wie der Thronsaal von King’s Landing Ankerpunkte im Zuschauergedächtnis, geben ein Gefühl von Vertrautheit und beschwören die (meist schrecklichen) Ereignisse, deren stummer Zeuge sie wurden. Mit der großen Halle der Twins beginnt die siebte Staffel weder in einem unbekannten noch neutralen Ort. In ihm ermordete der verräterische Lord Walder Frey einst seine Stark-Gäste und erfuhr in »The Winds of Winter« durch Arya Stark seine grausame Strafe. In »Dragonstone« sitzt der Verstorbene wieder am Festtisch und begrüßt seine Frey-Familie zu einem weiteren Bankett. Ein Flashback? Ein Limbus? Mit erhobenem Kelch erinnert Lord Walder an das Massaker der Red Wedding und schaut genüsslich zu, wie die anwesenden Freys blutspuckend zu Boden fallen, vergiftet durch den von ihm gereichten Wein. In bester »Mission: Impossible«-Manier reißt er sich das falsche Gesicht vom Kopf und entblößt das Antlitz Arya Starks. Winter came for House Frey.
In den Riverlands kehren Sandor Clegane und die Brotherhood Without Banners dagegen in eine zugeschneite Hütte ein, die dem Hound allzu bekannt vorkommt. Zusammen mit Arya ist er unter diesem Dach schon einmal Gast gewesen. Ein freundlicher Farmer und dessen Tochter boten den beiden Reisenden in »Breaker of Chains« Unterschlupf und Essen. Als Dank wurden sie vom Hound ausgeraubt. Schwächlinge haben in der harten Welt von Westeros keine Chance! Drei Staffeln später bewahrheitet sich nun Cleganes düstere Vorhersage. Vater und Tochter liegen tot in der Ecke, ein Messer zu ihren Füßen. Die Hungersnot hat sie in den Selbstmord getrieben. Den zynischen Hound von damals hätte es kalt gelassen. Der von Brother Ray gerettete Sandor der Gegenwart fühlt allerdings Reue. Er beerdigt ihre Leichen und erteilt ihnen auf seine Weise die letzte Ehre.
Völker kommen und gehen, Orte aber bleiben. Als Testament der Zeit bezeugen sie die trockene Erkenntnis von Archmaester Ebrose aus Oldtown, dass sich Geschichte in Westeros stets wiederholt. Danys Ankunft in Dragonstone ist ein symbolischer Akt der Wiederholung. Die im Exil neugeborene Drachenkönigin kehrt an den Ort ihrer leiblichen Geburt zurück, um das Erbe ihrer Familie anzutreten. Vor hunderten von Jahren wurde Dragonstone von den Targaryens errichtet; von dort begann Aegon der Eroberer seinen mächtigen Streifzug, infolgedessen er sich die Sieben Königreiche Untertan machte. Jetzt tritt Dany in die Fußstapfen ihres Vorfahren und will Westeros mit Blut und Feuer erneut unter dem Banner des dreiköpfigen Drachen vereinen. Als Zeichen ihres Herrschaftsanspruches hat sie sogar ihre freizügige Garderobe aus Essos gegen den königlichen Schnitt der Targaryens eingetauscht – und sieht dabei ihrem Bruder Viserys nicht unähnlich. In Westeros wiederholt sich Geschichte solange, bis die Figuren lernen, das Vergangene loszulassen.
Mit »Dragonstone« beschreitet »Game of Thrones« seinen langsamen Weg zum sicheren Ende. Sieht man die achte Staffel als großen Showdown von Westeros, dann ist diese Staffel so etwas wie ein Halbfinale. Wer scheidet aus, wer kommt weiter? Ein vorletztes Mal wird das Spielfeld leer geräumt, die Figuren neu positioniert, Strategien entsponnen und erste Züge getan, die das Geschehen dem unaufhaltsamen Endspiel näher rücken. Neugierig betritt Daenerys das von Stannis Baratheon zurückgelassene Kriegszimmer, lässt die Finger über die auf dem riesigen Kartentisch verteilten Figuren streifen, ehe sie mit ihren ersten Worten der Staffel die Folge verheißungsvoll beendet: Shall we begin?
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Die aktuelle siebte Staffel »Game of Thrones« ist in Deutschland exklusiv auf Sky zu sehen. Weitere Infos unter: www.sky.de.
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