Bleib wie du bist, Jack!
Die Oscarverleihung steht an, und da kocht er wieder hoch: der Mythos vom »Charakterdarsteller«, der »eins« wird mit seiner Rolle. Ist nicht meine Vorstellung vom Filmschauspieler. Mal ehrlich: Will man im Kino Leonardo DiCaprio, Clint Eastwood und Kate Winslet sehen – oder ihr Verschwinden? »Clint Eastwood ist kein Schauspieler«, giftete Pauline Kaul, »deshalb kann man ihn auch nicht als schlechten Schauspieler bezeichnen« – ungewollt brachte sie damit Eastwoods Erfolgsrezept auf den Punkt. Für Stars wie James Cagney oder James Stewart bedeutete Wandlungsfähigkeit, dass sie im Nadelstreif so gut aussahen wie mit Cowboyhut. Und wenn ich keinen Film mit Nicolas Cage verpassen will, liegt das nicht daran, dass er mich vergessen lässt, wer da spielt.
Früher war so ein Kinoverhalten normal, die Leute kauften Tickets, weil »starring John Wayne« auf dem Plakat stand. Heute läuft das unter pubertär oder fanatisch. Schuld daran waren wahrscheinlich die Autorentheoretiker mit ihrer Regisseursfixierung. Und die hyperwandlungsfähigen, allzeit preisverdächtigen »Method Actors«. Was die betrifft: Ich würde ja mein Geld zurückfordern, wenn Jack Nicholson mir ohne sein Grinsen käme, De Niro sein Stirnrunzeln unterdrückte und das Pacinosche Donnergrollen ausbliebe. Diese Männer sind nicht trotz, sondern wegen ihrer Manierismen gut. Die größten Schauspieler empfinde ich als Performancekünstler, die einer Rolle ihre eigene Persona aufdrücken, nicht umgekehrt. Tatsächlich wird auch bei dem heißen Oscaranwärter Michael Keaton immer wieder darauf abgehoben, dass er in Birdman sich selbst spielt.
Wer den Akzent eines Politikers oder die Bewegungen einer Dementen plausibel imitiert, liefert eine einstudierte Übung in Mimikry. Lieber sind mir Schauspieler, die, ja, eine »Schau« abziehen – ihre eigene, unverwechselbare. Am ironischsten treibt das Johnny Depp, der sich gerne schwer verkleidet, aber auch mit Scherenhänden und Piratenhut »Johnny Depp« bleibt. Es wäre mal an der Zeit, die Charaktervirtuosen zu verabschieden. Und sich über die zu freuen, die auf der Leinwand einfach »aufscheinen«.
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