Kritik zu Hinter Kaifeck

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Einer der rätselhaftesten, schaurigsten Fälle der bayerischen Kriminalgeschichte wird von Esther Gronenborn (»Alaska.de«) zum Mystery-Thriller verarbeitet

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Auf einem Einödhof in der Nähe des bayerischen Dorfes Hinterkaifeck wurden 1922, in der Nacht zum 1. April, sechs Menschen mit einer Kreuzhacke erschlagen. Ein brutaler Mordfall, der hohe, von allerlei Spekulationen aufgeheizte Wellen schlug und bis heute nicht aufgeklärt ist. Zahlreiche Bücher, Dokumentationen und auch Amateurfilme widmeten sich dem mysteriösen Fall. Der Journalist Peter Leuschner hat zwei Sachbücher dazu verfasst, die Schriftstellerin Andrea Maria Schenkel nahm ihn zur Vorlage für ihren Krimi-Bestseller »Tannöd«. Zurzeit entsteht unter der Regie der Schweizer Regisseurin Bettina Oberli (»Die Herbstzeitlosen«) eine »Tannöd«-Verfilmung, die im November in die Kinos kommen soll.

Ausgehend von Leuschners Recherchen hat nun Esther Gronenborn den Fall zu einem Mystery-Thriller aufbereitet, der wohl allerlei Mystery-Effekte, aber wenig Thrill zu bieten hat. Die Story spielt im Heute: Fotograf Marc (Benno Fürmann) gerät mit Sohn Tyll nach Hinterkaifeck, logiert im Gästezimmer der hübschen Landwirtin Juliana (Alexandra Maria Lara), kann schlecht schlafen und alpträumt Schreckensszenen des Mordgeschehens von 1922. Es muss also irgendeine Verbindung zwischen ihm und der Mordtat geben. Später wird sich diese reichlich konfus gebastelte Verbindung, die Marc mit der Opferseite des Verbrechens hat, mittels der geisterhaften Erscheinung einer Frau im roten Mantel enthüllen.

Zuerst einmal stellt Marc beim morgendlichen Blick in den Spiegel erschrocken fest, dass er des Nachts im nahe gelegenen Wald, wo sich der verwunschene Einödhof befindet, schlafwandlerisch unterwegs gewesen sein muss. Er will seinen Alpträumen, dem Verbrechen und seinen nächtlichen Exkursionen auf die Spur kommen, stößt aber im Dorf nur auf misstrauische Blicke und Mauern des Schweigens. Der Pfarrer des Ortes weicht ängstlich vor ihm zurück, als wäre er der Leibhaftige. Der Besitzer des Krämerladens murmelt: »Man soll die Vergangenheit ruhen lassen!«

Dies alles ist in einer krampfhaft um Schreckeffekte bemühten Weise in Szene gesetzt. Regisseurin Esther Gronenborn (die 2001 mit »Alaska.de« ihren bemerkenswerten, vielfach preisgekrönten Debütfilm vorlegte) beschwört das Mystery-Thriller-Genre mit den bekannten Versatzstücken: viel Nebel, maskenhafte Gesichter hinter Fensterscheiben, Alptraumsequenzen. Aber das Wesentliche gelingt ihr nicht: die Zeichnung der Dorfgemeinschaft, die ihre Verstricktheit in den Fall hinter folkloristischem Raunacht-Mummenschanz verbirgt. Die Räume (Kramerladen, Kirche, Gehöfte) bleiben Kulisse, die Figuren vorüberhuschende Schemen. Besonders kurios: die oft arg chargierenden Darsteller sprechen mit den buntesten Dialektfärbungen, aber das bayerische Idiom ist nicht dabei.

So kann sich kein Thrill einstellen. So entsteht der Eindruck einer visuellen Stilübung ohne erzählerische Substanz. Einziger Lichtblick: Benno Fürmann, der seiner Figur kantige und zugleich irrlichternde Züge verleihen kann.

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