Kritik zu Drei Affen

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Nuri Bilge Ceylan porträtiert erneut in eindringlichen Bildern die Gefühlsökonomie einer korrupten Gesellschaft, in der sich die Verantwortung für begangene Untaten gut an Bedürftige verkaufen lässt

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Konfuzius sagt: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Vom Schlechten ist bei Konfuzius die Rede, dem keine Beachtung und kein Blick gegönnt werden soll, schon gar nicht die Aufwertung der Überlieferung. Der Westen versteht das berühmte Zitat meist als unterlassene Hilfeleistung.

Die ambivalente Bedeutung dieses berühmten Sprichwortes macht sich Nuri Bilge Ceylan zunutze, wenn er die vier Hauptpersonen seines in Cannes mit dem Regie-Preis ausgezeichneten Films »Drei Affen« nacheinander in Versuchung bringt. Zunächst sieht es so aus, als behalte die westliche Auslegung vom Wegsehen recht: Der Politiker Servet, gespielt von Ercan Kesal, der nebst dem Regisseur und seiner Frau Ebru Ceylan auch an dem packenden Drehbuch beteiligt war, überfährt nachts auf einer einsamen Landstraße einen Menschen. Er begeht Fahrerflucht und überredet anschließend seinen Chauffeur Eyüp, die Schuld auf sich zu nehmen. Bevor wir Servet dafür verurteilen können, verweist uns der Film in unsere (Sicht)Schranken. Auch wir haben nichts gesehen. Der Unfall war ein Reifenquietschen, ein Aufprall jenseits einer Kurve, die von der Kamera nicht mitgenommen wurde.

»Uzak« hieß der dritte lange Spielfilm des türkischen Regisseurs, der ihn endlich auch in Europa berühmt machte. Der Titel verweist auf das Erbe der Entfremdung, das Nuri Bilge Ceylan in der Folge des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni angetreten hat, eigenwillig und kreativ wie heutzutage kein anderer. Das Entferntsein von allen Dingen, die Zurückhaltung, mit der der Protagonist aus »Uzak« seiner Geliebten begegnet, wurde zum ästhetischen Programm eines Filmemachers, der daran festhält, seinen schwermütigen Figuren nicht näher kommen zu können, als sie sich selbst. Auch in »Drei Affen« schweigen Eyüp, seine Frau Hacer, sein 25-jähriger Sohn Ismail. Sie sehen sich an, aber da ist nichts. Keine Erklärung, kein Trost, kein Verständnis. Wozu über Abhängigkeit reden, wenn sie sich in verhärteten Gesichtern abzeichnet?

Eyüp geht ins Gefängnis, weil er dafür bezahlt wird. Ismail besucht den strengen Vater widerwillig. Hacer arbeitet in einer Kantine und hat in ihrer vom Machismo geprägten Familie sowieso nichts zu sagen. Das ändert sich, als Ismail sie bittet, Servet um einen Vorschuss aufs Schweigegeld anzugehen. Der Politiker nutzt die Einsamkeit der schönen Bittstellerin aus, die ihrerseits auf einmal die Gelegenheit ergreift, unterdrückte Wünsche auszuleben. Ismail wird Zeuge ihrer Affäre. Als Eyüp entlassen wird, kann sich Hacer nicht mehr mit ihrem ungehobelten Ehemann abfinden. Der scheinheilige Politiker lässt sie fallen und das Unheil nimmt seinen Lauf. Vielleicht ließe es sich aufhalten, wenn das Schlechte ignoriert würde. Aber Konfuzius kannte die türkische Wahnvorstellung von Ehre nicht. Am Ende passiert ein zweiter Mord und wieder wird ein Unschuldiger dazu gezwungen, die Verantwortung zu übernehmen.

Jenseits der harschen Kritik an einem Land, in dem es verlockend einfach zu sein scheint, die Ärmsten der Armen zum Sündenbock zu machen, überwältigt der Film den Betrachter durch Bilder, die wie Isolierzellen wirken. So wie Theodor Angelopoulos' Griechenland immer vereist ist, liegt über dem Sommer der »Drei Affen« ein giftiger Schleier. In den Zimmern zittert ein grünliches Licht, die Familienmitglieder verharren darin wie Tiefseewesen. Scham und eine alte Schuld, die um den Tod von Ismails kleinem Bruder kreist, ziehen sie in den Abgrund der Reglosigkeit. Wer nicht für sich einsteht, lebt schon im Gefängnis. Doch visuell öffnet dieser düster lodernde Film ein Fenster, und wer hindurchblickt, sieht die menschliche Seele. Türkische Filme neigen oft zu einer Form von Melodramatik, die uns lächerlich erscheint. Das wird sich ändern, wenn man »Drei Affen« sieht. Nuri Bilge Ceylan hat ein ebenso realistisch wie alptraumhaft wirkendes Porträt einer Gesellschaft gezeichnet, in der das übertriebene Gefühl die unterdrückte Wahrheit vergessen machen soll.

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