Kritik zu Liebe auf den zweiten Blick
Keine wirklich ganz neue Geschichte: Dustin Hoffman spielt einen alten, vom Schicksal gebeutelten Amerikaner, der in London eine von Emma Thompson verkörperte deprimierte Frau kennenlernt. Gemeinsam heben sie gegenseitig ihre Laune
Es ist bekanntlich selten zu früh und nie zu spät, wenn es um die Liebe geht. Damit für den Kinobesuch das Gleiche gilt, wird jetzt ernst gemacht mit Geschichten für die Generation 40plus. Allzu ernst natürlich dann doch nicht, denn auch im Alter braucht man wohl seine kleinen und großen Fluchten in beliebte Genremuster. So macht denn »Liebe auf den zweiten Blick« auch keine Experimente in Richtung Wolke neun, aber das Personal dieser romantic comedy im Milieu der sogenannten Best Ager fährt naturgemäß andere Probleme auf als das erste Mal und der letzte Pickel.
Wir erfahren von den Nöten des zerknitterten Verlierers Harvey Shine (Dustin Hoffman), der seinen Traum von einer Musikerkarriere ebenso aufgeben musste wie den von einer intakten Familie. Dennoch reist er nach London, wo seine hübsche Tochter einen kernigen jungen Mann heiratet und dabei auch – wer wollte es ihr verdenken – dem öligen Charme ihres von James Brolin verkörperten Stiefvaters erlegen ist. Ob Kate (Emma Thompson), deren Tristesse nach recht simplen Schnittmuster parallel zu Harveys Slapstickeinlagen montiert ist, je geträumt hat, erfährt man nicht. Aber zwischen einem Marktforschungsjob am Flughafen, einer pflegebedürftigen Mutter und erfolglosen Blind Dates ist auch ihr Leben von Freudlosigkeit geprägt.
Joel Hopkins, der nach eigener Vorlage inszeniert, lässt den schematischen Plot arg ächzen, damit der resignierte New Yorker und die freundliche Londonerin sich am Ende des ersten Filmdrittels kennenlernen. Nunmehr laufen sie durch ein statistenbevölkertes London, in U-Bahnstationen, entlang der Themse, in Hotellobbys. Sie reden eine Nähe herbei, die stattliche Frau und der kleine Mann, mal in Form von Pointen, oft in Form von Sentimentalitäten, sie laufen und reden, bis man sich an das Echtzeitexperiment von Richard Linklaters »Before Sunrise« und »Before Sunset« erinnert fühlt. Der Vergleich verbietet sich allerdings, sobald es um die Hauptdarsteller geht: Emma Thompson und Dustin Hoffman verbindet zwar der Großmimen-Status und also setzt Hoffman eine traurige Schalkhaftigkeit gegen Thompsons erdige Energie, aber man weiß schon, warum Regisseur Hopkins es nicht einmal zum Kuss zwischen den fusslig geredeten Lippen der beiden kommen lässt: Man will es einfach nicht sehen, weniger der 22 Jahre Altersunterschied wegen, sondern weil Hopkins vollkommen unfähig ist, seine Geschichte, Bilder und Schauspieler sinnlich aufzuladen. Er hakt die Stationen des biedersten aller Genres mit einer Zusatzportion Biederkeit ab, die der Moral seiner Geschichte spottet. Wer erzählen will, dass die Liebe auch ins letzte Lebensdrittel fällt, der muss daraus kein Schonkostkino machen. Das Zahnlose des Romantischen wie des Komödiantischen seines Filmes macht der zielgruppenrelevanten Zuschauerin klar, was sie von später Liebe zu erwarten hat: Herzrhythmusstörungen, Spaziergänge, Volkshochschulkurse und körperlose Liebesschwüre von kleinwüchsigen Männern in zerknitterten Anzügen.
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