Kritik zu Master of the Universe
Als er noch aktiv war, hat er mit Millionen hantiert: Im Dokumentarfilm von Marc Bauder liefert der ehemalige Investmentbanker Rainer Voss teilweise bestürzende Innenansichten der Finanzwelt
29.10.2013
Bewertung: 5
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(Stimmen: 1)
Wie in der Armee, sagt Rainer Voss, der Insider, der ehemalige Investmentbanker, als er gleich zu Beginn des Films beschreibt, wie man Karriere macht in der Finanzwirtschaft. Mit durchgearbeiteten Nächten, One- und Two-Nighter genannt, ohne Jammern, ohne Zweifel, ohne eigene Meinung, mit bedingungsloser Loyalität. Eigentlich ist die Armee nicht die richtige Referenz, denkt man spätestens am Ende des Films, wenn Voss erfolglos versucht hat zu rationalisieren, wie schwer es ihn getroffen hat, ab einem gewissen Alter aussortiert zu werden. Der richtige Vergleich für den unglaublichen Binnendruck des Systems wäre also wohl eher: wie in einer Sekte.
Master of the Universe heißt der Dokumentarfilm von Marc Bauder. Der Filmemacher hatte bereits in einem WDR-Feature vor fünf Jahren Interesse erkennen lassen an den Mechanismen einer ökonomischen Arbeitswelt. Damals begleitete er einen Topmanager durch die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Geschichten haben, auch weil sie selten erzählt werden, immer etwas Faszinierendes, es sind die Schauermärchen unserer Zeit, die Shakespearedramen aus dem gesellschaftlichen ganz Oben.
In diesen Bereich gehören auch weltweit denkende Filme wie Unser täglich Brot, Let’s Make Money oder zuletzt Bottled Water, deren richtiger und rechtschaffener Ansatz sich aber manchmal in einem globalisierungspornografischen Dauergrusel verliert, den man als Zuschauer nicht gebannt bekommt. Hier unterscheidet sich Bauders Film, obwohl auch Master of the Universe an vielen Stellen geeignet ist, sämtliche Hoffnungen auf einen vernünftigen Gang der Dinge im Ganzen fahren zu lassen.
Bauder bleibt immer bei seinem Protagonisten, den er nicht porträtiert im klassischen Sinne (den Namen etwa verrät kein Insert), sondern wie einen Essay strukturiert – als jemanden, der die merkwürdige Parallelwelt der Finanzwirtschaft mittlerweile reflektiert und zugleich Teil von ihr bleibt. Der Film stellt Voss in einen leeren Büroturm in Frankfurt, dessen Hochhausinsel die Kamera zuvor zu sakralopernhafter Musik angeflogen hat. Und dekliniert von dort aus die Ästhetik der Hochfinanz durch, die der Titel von Christoph Hochhäuslers Bankerfilm Unter dir die Stadt so treffend beschreibt.
Dazu erzählt Voss von der »menschlichen Natur«, von den Methoden, Kalkülen, Abläufen, die sich vor allem als »männlich« herausstellen. Es wäre mit seinem Selbstentwurf etwa unvereinbar gewesen, Elternzeit zu nehmen bei der Geburt des ersten Kindes. Das Interessanteste an dem Film sind aber die Störungen. Wenn Voss, der um die Wirkung seiner Erzählung, seines Wissens weiß, gestoppt wird und, im Fluss, abbricht: »Ich kann dazu nichts sagen. Fertig«. Das sind die Reste, die nicht aufgehen, die entkernten Bereiche einer von Konformitätsdruck reglementierten Arbeitswelt, in die Master of the Universe auf kluge Weise Einblick gewährt.
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