Kritik zu Apple Stories
Rasmus Gerlach erzählt in seinem Dokumentarfilm Geschichten rund um das Kultprodukt des Kultkonzerns mit dem Apfellogo und fördert dabei so manches Kritikwürdige zutage
Inzwischen tippen gefühlte 100 Prozent der Menschen auf kleinen Touchscreens herum. Weltweit sind unzählige Smartphones in Umlauf, entsprechend groß ist der Bedarf an Rohstoffen zur Produktion dieser kleinen Maschinen. In seinem Dokumentarfilm betrachtet Rasmus Gerlach die Herstellungskette von Mobiltelefonen, beginnend vom Abbau des Zinns in Ruandischen Minen über ihre Montage in China und den Eventverkauf in einem Laden am Hamburger Jungfernstieg bis hin zur wundersamen Reparatur beim türkischen Handydoktor.
Ein ähnliches Thema griff der aus Dänemark stammende Dokumentarfilmer Frank Piasecki Poulsen schon 2010 auf. »Blood in the Mobile« konzentrierte sich auf den Widerspruch zwischen dem ausbeuterischen Abbau von Handyrohstoffen in afrikanischen Minen und der menschenfreundlichen Werbebotschaft des Herstellers: »Connecting People«. Nicht um den etwas ins Hintertreffen geratenen finnischen Konzern Nokia geht es bei Rasmus Gerlach, sondern um den kultisch verehrten Konzern mit dem Logo des angebissenen Apfels. Der Titel »Apple Stories« ist gut gewählt, Gerlach erzählt zwar eine durchgängige Geschichte, die sich aber aus vielen anregenden »Short Cuts« um das iPhone zusammensetzt. Auf den Besuch einer Mine, in der Ruandische Arbeiter Zinnerz mit Flipflops und ohne Grubenhelm abbauen, folgt ein Besuch in der chinesischen Freihandelszone Shenzhen. Der hier ansässige Apple-Zulieferer Foxconn geriet wegen einer Selbstmordwelle seiner schlecht bezahlten Arbeiter in die Schlagzeilen. Hierzu zitiert Gerlach eines der letzten TV-Interviews des Apple-Mitgründers Steve Jobs, der eiskalt vorrechnet, dass diese Selbsttötungen statistisch unterhalb des US-Durchschnitts lägen. Trotzdem hat Foxconn seinen Beschäftigten inzwischen per Arbeitsvertrag verboten, sich umzubringen. Fangnetze vor Wohnheimen sollen sie am Todessturz hindern.
Zu den Höhepunkten der Dokumentation zählt der Besuch in einer geheimen Fabrik für Produktpiraterie, die das iPhone kopiert. Die chinesischen Arbeiterinnen werden hier ebenso schlecht entlohnt wie die bei Foxconn. Auch sogenannte »Genius-Mitarbeiter« im Hamburger Apple-Store verdienen nicht gerade viel und müssen sich dafür mit der Kamera überwachen lassen. Seine kritische Durchleuchtung des Apple-Geschäftsmodells fokussiert Gerlach auf die Entscheidung des Konzerns, seinen Kunden keine Ersatzteile zur Verfügung zu stellen. Diese Not macht Tüftler in aller Welt erfinderisch. Ein autodidaktischer Handydoktor aus St. Pauli repariert eine Sollbruchstelle des iPhones, indem er es in eine Bratfolie wickelt und in der Mikrowelle auf 200 °C erhitzt – schwups kommt man wieder ins Internet. Dank liebevollen Beobachtungen verknüpft der Film die politischökonomische Argumentation mit »weichen Faktoren«: die beinahe religiöse Verehrung des iPhones, mit dem man, so ein junger Mann mit feuchten Augen, »alles machen kann«.
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