Kritik zu Secret Sunshine

OmU © Rapid Eye Movies

2007
Original-Titel: 
Miryang
Filmstart in Deutschland: 
16.04.2009
Sch: 
L: 
142 Min
FSK: 
12

Der Autor Chang-dong Lee hat viele Talente. Von 2003 bis 2004 war er Südkoreas Kulturminister, zuvor drehte er drei vielbeachtete Filme. Sein vierter brachte seiner Hauptdarstellerin in Cannes einen Preis

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Schon auf dem Weg nach Miryang wird Lee Shin-ae vom Pech verfolgt. Ihr Wagen bleibt liegen, ihr kleiner Sohn Jun zeigt sich von seiner bockigen Seite. Während die beiden an einem idyllischen Bachlauf auf den Abschleppdienst warten, stellt sich heraus, dass Jun eher verstört als unartig ist. Sein Vater ist bei einem Autounfall verstorben, seine Mutter hat ihn aus der gewohnten Umgebung von Seoul herausgerissen. Sein Vater sei in Miryang geboren worden und habe immer dorthin zurückkehren wollen, tröstet ihn die Mutter, außerdem sei das Städtchen vielversprechend, bedeute Miryang doch »secret sunshine«, heimlicher Sonnenschein.

Zunächst zeigt sich Miryang auch von seiner Sonnenseite. Ein bisschen langweilig vielleicht und sehr konservativ. Auf der Suche nach gesellschaftlicher Anerkennung lässt Shin-ae durchblicken, dass sie zwar nur Klavierlehrerin, aber durchaus in der Lage sei, sich ein Grundstück für ihr Traumhaus zu kaufen. Jong Chan, der ebenso unscheinbare wie humorlose Mann vom Abschleppdienst, hat sich auch ohne solche Aussichten bereits unsterblich in die Witwe verliebt. Fünfzehn Minuten sieht es so aus, als sei ihr größtes Problem der allzu anhängliche Junggeselle, doch dann geht alles ganz schnell und kommt ganz anders: Yun wird entführt; der Kidnapper erbost sich darüber, dass Shin-ae ihren Reichtum nur vorgegaukelt hat. Wenig später steht Shin-ae an dem idyllischen Bachlauf und muss die Leiche ihres Sohnes identifizieren. Was kann jetzt noch kommen?

»Secret Sunshine« ist eine südkoreanische Variante von »Our Little Town«, gepaart mit dem ästhetischen Anarchismus von David Lynch. Der Film wechselt seine Genres wie die Figuren aus »Lost Highway« ihre Identität. Aus der Komödie eines ungelenken Neuanfangs wird ein Thriller, aus dem Thriller ein Melodrama, aus dem Melodrama eine Farce auf die aggressiven christlichen Missionierungsfeldzüge in Korea. Ein Psychodrama ist auch noch drin, und über allem schwebt die unglückliche Liebesgeschichte von Jong Chan, dem guten Menschen von Miryang.

Nach Juns Ermordung verliert sich Shinae in ihrer Trauer. Von den Mitgliedern einer sektenähnlichen christlichen Gemeinde wird sie rascher »gefunden« als gut für sie ist. Betäubt vor Schmerz, lässt sich Shin-ae auf schicksalsergebene Gebetszirkel und die Ekstase der Verantwortungslosigkeit ein. Gott, wird ihr eingetrichtert, habe seine Gründe, auch der Tod ihres Sohnes gehöre in den himmlischen Masterplan. Während der arme Jong Chan den Bibeltreuen nur beitritt, um Shin-ae nahe zu sein, steigert sich die junge Frau in einen Fanatismus, den schon Lees Kollege Kim-Ki duk in »Samaria« kritisch beleuchtete. Der unheimliche Erfolg des Christentums in Asien beschäftigt mittlerweile aber auch japanische und taiwanesische Regisseure, zumal es sich bei den sektiererischen Anwerbern offenbar um Seelenfänger handelt.

Auf dem Höhepunkt ihrer Abhängigkeit von frommen Umarmungen und oberflächlichen Konfliktvermeidungsstrategien entscheidet sich Shin-ae, dem Mörder ihres Sohnes zu vergeben. Wer glaubt, darin die wahre Nachfolge Christi zu erkennen, wird dank der ungerührten Psycho- und Gesellschaftsanalyse des Films eines Besseren belehrt: Im Gefängnis angekommen, büßt Shinae ihre Fast-Food-Heiligkeit ein. Der Mörder, ein ehemals geschätzter Lehrer, kommt ihr zuvor. Freudestrahlend erklärt er, im Gefängnis geläutert worden zu sein. Gott habe ihm seine Todsünde längst vergeben; schön, dass Shin-ae sich dem anschließe. Dieser buchstäblich leichtgläubige Umgang mit Reue und Absolution lässt Shin-ae aus ihrer Betäubung erwachen und wirft sie mit Wucht auf ihr verdrängtes Trauma zurück. Als sie schließlich versucht, sich umzubringen, schaltet sie zuvor alle Lampen ein: Wenn Gott alles sieht, soll ihm kein hässliches Detail entgehen.

»Secret Sunshine« ist mit zwei Stunden und zwanzig Minuten Zumutung und Herausforderung zugleich. Trotzdem kann man nicht umhin, die Schauspielerin Jeon Do-jeon für die Rückhaltlosigkeit zu bewundern, mit der sie sich auf jeden nur denkbaren Gemütszustand wirft. Das Heilige und das Aggressive, Masochismus und Sadismus scheinen unabdingbar zur filmischen Durchdringung Südkoreas zu gehören.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt