Kritik zu Die Tür
Der Däne Mads Mikkelsen in einem deutschen Mystery-Thriller nach einem Roman von Akif Pirinçci
Es ist einer dieser hundsgewöhnlichen Tage, die durch ein traumatisches Ereignis zur Zäsur werden – ein Tag, der von der Erinnerung wieder und wieder wie ein Videofilm zurückgespult wird. Schauplatz ist der Garten einer Villa, in der ein kleines Mädchen seinen Vater bekniet, mit ihm zu spielen. Doch David, ein erfolgreicher Maler, schickt sie ungeduldig weg und geht zu einem Quickie mit seiner Nachbarin. Als er zurückkommt, herrscht eigentümliche Stille: seine Tochter liegt ertrunken im Pool. Fünf Jahre später wird der suizidale David, von seiner Frau längst verlassen, in einer Winternacht von einem Schmetterling zu einem verborgenen Felsengang mit einer Tür geführt. Durch sie hindurch gelangt er zurück zu jenem Frühlingstag, an dem das Unglück seinen Lauf nahm. Als er sein Alter Ego über die Straße zur Nachbarin gehen sieht, ergreift er seine Chance und rettet die ertrinkende Leonie. Seiner überwältigenden Erleichterung folgt die Panik auf dem Fuße: Was tun mit seinem jüngeren Ich?
Alles könnte so schön sein in diesem »Replay«, doch immer ist einer zu viel im wiedergefundenen Paradies. Nicht nur David laboriert an diesem Problem. Und während er sich angestrengt bemüht, in seinem geschenkten Leben alles richtig zu machen, gerät er mit den ungeschriebenen Regeln der Zweitwelt in Konflikt. »Vanilla Sky« und »The Sixth Sense« nennt Regisseur Anno Saul als Inspiration für seinen Film. Aber auch die Phantome, Automaten, Scheinwelten und Doppel-Ichs aus »Willkommen in Pleasantville«, »Die Frauen von Stepford« oder die »Truman Show« sind nicht weit entfernt. Mehr noch aber erinnert dieser erstaunlich souveräne Versuch eines deutschen »Mystery Thrillers« an die Tradition der schwarzromantischen Doppelgänger-Literatur. Als Vorlage dient der wohl stark abgeänderte Roman »Die Damalstür« von Akif Pirinçci. Der Film jedenfalls konzentriert sich auf den innerlich zerrissenen Wiedergänger und auf die mit viel Fingerspitzengefühl vorgenommene Inszenierung einer ins Unheimliche gleitenden Vorortidylle. So wird man von der verwunschenen, in Potsdamer Villenvierteln gedrehten »Twilight Zone« und ihren subtilen Brüchen in den Bann gezogen. Jene winterblassen, warm eingepackten Besucher, die aus der anderen Seite einsickern, sind schon optisch Störenfriede in dieser heilen Welt, deren Status quo Davids vierschrötiger Nachbar als Blockwart bewacht. Obwohl Mord die Geschäftsgrundlage dieses Paralleluniversums ist, hat die Handlung bis kurz vor Schluss wenig Reißerisches und lässt, abgesehen von unauffälligen Sportlotto-Gewinnen, die üblichen Boni von Zeitreisenden außen vor. Gut besetzt in doppelgesichtigen Nebenrollen sind Heike Makatsch, Jessica Schwarz und Thomas Thieme. Ein Glücksfall ist vor allem der dänische James-Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen im Zentrum. Er ist eine zwiespältige Figur, anfangs selbstherrlich, später ein existenziell Getriebener, der moralisch zwischen alle Fronten gerät und zwischen Leben und Tod entscheiden muss: eine Sisyphus-Figur, die das Chrono-Drama mit ihrer Melancholie prägt.
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