Kritik zu Rio Reiser – Lass uns 'n Wunder sein

© Arsenal Filmverleih

2008
Original-Titel: 
Rio Reiser – Lass uns 'n Wunder sein
Filmstart in Deutschland: 
09.07.2009
L: 
90 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Stefan Pauls intensives Porträt einer wichtigen deutschen Band und ihres Frontmanns Rio Reiser begibt sich auf die Suche nach dem Mythos – und wird leider nicht wirklich fündig

Bewertung: 2
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Als Ton Steine Scherben 1988 in der Seelenbinder-Halle in Ostberlin auftraten, waren sie zwar als linke Band willkommen, doch wollte man den anarchischen Touch einschränken. Alles dürfe er singen, sagten die DDR-Funktionäre, außer »Keine Macht für Niemand«. Rio Reiser schmunzelte über die mangelhafte Textkenntnis der Stasi und willigte ein. Das Konzert begann dann mit dem Hit »Alles Lüge«. Geschichten wie diese erzählt der Film von Stefan Paul leider nicht.

Stefan Paul ist ein versierter Musikfilmregisseur. Er hat Dokumentationen über verschiedene Musiker gedreht, darunter Reggae- Größen wie Bob Marley und Peter Tosh, über Jimmy Cliff oder Laurie Anderson. Dazu kommen zwei Filme über Rio Reiser, »Rio Reiser – König von Deutschland« und »Jan Plewka singt Rio Reiser« beide aus dem Jahr 2005. Er kennt sich also aus in der Musikszene. Auch für diesen Film hat er alle bedeutenden Mitglieder der Scherben interviewt sowie die beiden Brüder von Rio Reiser, Gerd und Peter Möbius, die das Erbe verwalten und sich mit dem Rest der Band im Streit befinden. Aber auch das erwähnt der Film nur nebenbei.

Ihm geht es nicht um Anekdoten, um Erlebnisse oder kleine Geschichten aus dem Alltag der Band. Stattdessen kommen Udo Lindenberg, Corny Littmann, Achim Reichel, Stefan Kunze, Klaus Meine von den Scorpions, die Ex-Managerin Claudia Roth sowie Daniel Cohn-Bendit zu Wort. Mit ihren Aussagen versucht Paul, den Mythos Rio Reiser zu ergründen. Deutlich wird, dass er eine enorme Wirkung hatte für Kollegen und Fans, aber auch für seine Gegner. Den Mythos jedoch erklärt das nicht.

Man muss die Rechercheleistung von Stefan Paul anerkennen, vor allem, dass er den in Portugal Zitronen züchtenden Gitarristen der Scherben, R.P.S. Lanrue, aufgespürt und vor die Kamera bekommen hat. Seine Aussagen sind bewegend, voller verbindlicher Emotion und stetiger Trauer um den 1996 verstorbenen Freund, der von Jugend an auch Alter Ego war.

Stefan Pauls vielfältige Faktenansammlung kann einiges erklären, doch erzeugt sie keine Faszination. In nüchternem Ton beschreibt diese Dokumentation, anstatt filmisch nachzuempfinden, was zum Beispiel bei den Auftritten passierte. Paul lässt diejenigen sprechen, die Rio kannten, darunter auch eine Nachbarin in Kittelschürze aus Rodgau, wo er seine Jugend verbrachte, doch die Einzelaussagen bleiben fragmentarisch und trennen sich auch im Bild von der Musik. Dazu kommt der recht biedere Ton, in dem der Off-Text gehalten ist. Stimmungstragende Aufnahmen, in denen man sich verlieren kann, fehlen fast völlig. »Lass uns 'n Wunder sein« ist eine klassische Doku, die Aussagen vor starrer Kamera in Haus und Garten oder in der offenen Natur mit kurzen Konzertaufnahmen mischt und dazu erklärend aus dem Off eingreift. Im Ganzen wirkt sie recht schwerfällig, wenig »musikalisch«. Aber vielleicht sollte man sich die Produktion auch gar nicht als Einzelfilm denken, sondern als Beitrag zu einem Scherben- Archiv. Für Fans, die, wie man weiß, alles sammeln und sich auch schon mal an den Rändern der Geschichte rumtreiben.

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