Kritik zu Das Fischkind
Der zweite Film der Argentinierin Lucia Puenzo erzählt die dunkle Liebesgeschichte zweier Mädchen aus unterschiedlichen Verhältnissen
Es waren einmal zwei Mädchen, die liebten sich sehr. Die eine hieß Lala (Inés Efron) und stammte aus einer wohlhabenden argentinischen Familie, die ein großes Haus in Buneos Aires besaß. Die andere hieß Guayí (der argentinische Popstar Mariela Vitale), war in jungen Jahren aus Paraguay geflüchtet und arbeitete als Hausangestellte bei der Familie von Lala. Die eine hatte noch nicht viel gesehen von der Welt, weshalb sie meist mit großen Augen und etwas furchtsam auf die Menschen und Dinge schaute und von einem Leben in einem fremden Land träumte. Die andere hatte schon zu viel gesehen von der Welt und war zu oft von Männern ausgenutzt worden, weshalb sie von einem geborgenen Leben in einem eigenen Haus träumte.
Der zweite Film der argentinischen Schriftstellerin und Regisseurin Lucia Puenzo (»XXY«) ist in den ersten zwei Dritteln wie ein Rätsel erzählt. Die Geschichte der verliebten Mädchen unterschiedlicher Herkunft, die schließlich in einen Mord gipfelt, wird nicht chronologisch präsentiert, Szenen aus Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart gehen fließend ineinander über, so dass die Grundzüge des Plots nur langsam sichtbar werden, vieles wird lediglich angedeutet. Man erfährt, dass Lalas Vater ein Richter ist, dessen Memoiren politischen Zündstoff bergen, dass er ein Verhältnis mit Guayì hatte und wahrscheinlich an einem vergifteten Glas Milch stirbt. Männer spielten früh eine Rolle im Leben Guayís, schon als Kind wird sie schwanger und bringt einen Sohn zur Welt, der als sagenumwobenes Wesen durch den Film und die Gedanken der Mädchen geistert.
Am ehesten lässt sich Puenzos nach ihrem eigenen Debütroman entstandener Film vielleicht als ein Märchen über zwei ausgesetzte Kinder verstehen, die auf der Suche nach einer Zuflucht durch einen düsteren Wald wandern. Die labyrinthische Struktur des Films verstärkt für den Zuschauer das Gefühl der Verlorenheit und entrückt das Geschehen einer einfach zu lokalisierenden Gegenwart und psychologischen Deutbarkeit. Alles ist dunkel an diesem Film und auch ein bisschen undeutlich, nur die schönen Gesichter von Ines Efron und Mariela Vitale leuchten aus dem Dämmer hervor. Die männlichen Nebenfiguren funktionieren in dieser Fabel als bedrohliche Satyre, Konkurrenten Lalas um den Körper ihrer Freundin, meist drängend, brutal und feige.
Wie in ihrem Erstling »XXY«, in dem Ines Efron eindrucksvoll einen jungen Hermaphroditen verkörperte, gilt Puenzos Hauptinteresse der Suche jugendlicher Protagonisten, weniger nach einer eigenen Identität als nach einer Möglichkeit, einem Raum, in dem sie einer vor allem sexuellen Identifizierbarkeit entgehen können. Herkunft, Geschlecht, Klassenverhältnisse, alles, was in Fischkind an sozialer Umwelt sichtbar wird, drängt die beiden Mädchen in bestimmte Rollen. Um diesem Gefängnis, das dann als realer Handlungsort schließlich noch eine Rolle spielen wird, zu entgehen, helfen nur ein Mord und ein Märchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen Lala und Guayí es sich noch heute.
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