Kritik zu Beeswax
Der Rhythmus eines Durchschnittslebens: In Andrew Bujalskis Film über ein ungleiches Paar von Zwillingsschwestern zeigt sich der Regisseur und das von ihm geprägte Genre des »Mumblecore« ganz auf der Höhe der Zeit
Andrew Bujalski tat sich selbst keinen Gefallen, als er vor Jahren anlässlich seines Debüts »Funny Ha Ha« den Begriff »Mumblecore« prägte. Die Kritik nahm den Begriff dankbar auf – seitdem muss er als Entschuldigung für eine ganze Generation von amerikanischen Filmemachern mit mehr Attitüde als Talent herhalten. Das »Mumble« (Murmeln) spielte auf das verschüchterte, unbeholfene Auftreten seiner Laiendarsteller an, die vor der Kamera nur schwer die Zähne auseinanderbekamen. »Mumblecore« wurde zum Selbstbespiegelungsgenre eines bestimmten Schlages weißer Mittelklassegroßstädter um die Anfang dreißig: halb Slacker, halb »Indie«, definitiv in alternativen Lebensentwürfen – dort meistens auch steckengeblieben – und von hohem Mitteilungsbedürfnis, allerdings ohne unbedingt mit der Gabe zur Selbstreflexion gesegnet zu sein. Die amerikanische Kritik zeigte sich fasziniert bis leicht genervt von diesem neuen Soziotyp. Die privatistische Einstellung vieler Filmemacher wurde in den hochkontroversen nuller Jahren als Einigelungstaktik bewertet.
Mit seinem dritten Film »Beeswax« beweist Bujalski nun, dass das von ihm längst vehement abgelehnte Label »Mumblecore« tatsächlich zu so etwas wie einer authentischen Sprache gefunden hat. Im Mittelpunkt stehen die querschnittgelähmte Jeannie und Lauren, im Film wie im wirklichen Leben eineiige Zwillinge. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Jeannie betreibt zusammen mit einer alten Freundin einen Secondhandladen in einem aufstrebenden Szeneviertel Austins. Sie nimmt das Leben eher von der ernsten Seite, ganz im Gegensatz zu Lauren, die gleich in ihrer ersten Szene aus einer Laune heraus mit ihrem Freund Schluss macht. »Beeswax« hat den Rhythmus eines Durchschnittslebens, und Bujalski fängt die kleinen Verwerfungen mit schöner Beiläufigkeit ein. Die Gegensätze von Jeannie und Lauren sind pointiert beobachtet. Man muss hier gelegentlich an John Cassavetes' Ausspruch denken, dass Schauspieler nichts falsch machen können – weil sie Menschen sind. Für Konfliktstoff sorgen die Frage, ob Lauren einen Job als Aushilfslehrerin in Nairobi annehmen soll und vor allem der Bruch Jeannies mit ihrer Geschäftsteilhaberin. Doch das sind lediglich erzählerische Katalysatoren, ansonsten verläuft das Leben in gewohnten Bahnen. Um rechtlich gewappnet zu sein, nimmt Jeannie Kontakt zu ihrem Ex auf, der gerade seinen Juraabschluss am College nachholt. Möglicherweise bahnt sich zwischen den beiden eine zweite Romanze an, aber auch das hält der Film in der Schwebe.
Bujalski gehört zu den wenigen amerikanischen Filmemachern mit einem Gespür für die Sprache seiner Altersgenossen und der Gabe, ihre Sorgen und Nöte in spielerisch leichte, originelle Konfliktsituationen zu fassen. Sein genauer Blick für die Absurdität zwischenmenschlicher Beziehungen und die sozioökonomischen Zwänge, in denen man gefangen ist, haben eine brennende Aktualität. Gerade aus diesem ewigen Gefühl des Steckengebliebenseins heraus, dem seine Filme ein kleines Denkmal setzen.
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