Kritik zu Bergfest
Endspiel in den oberbayrischen Bergen: Im Spielfilmdebüt von Florian Eichinger sind Vater und Sohn auf der Suche nach ihrer gemeinsamen Vergangenheit – und auf der Suche nach sich selbst
Ein junges Paar wandert durch einen einsamen, verschneiten Bergwald. Er trägt sie ein Stück, bis sie mit humpligen Schritten weitergehen kann. Erst später werden wir erfahren, dass Anns (Anna Brüggemann) Behinderung von einem Unfall herrührt, den sie im Auto mit Johannes (Martin Schleiß) hatte. Es liegt einiges in dieser Geste des Tragens, Zärtlichkeit, Mitleid, Paartherapie, aber auch so etwas wie Symbiose. Als sie weiter den Wald hinaufsteigen, entdecken sie Fußspuren.
Eine Spurensuche ist auch dieser Film, den der junge Regisseur Florian Eichinger mit einem minimalen Budget (50 000 Euro) ohne irgendeine Förderung in den Bergen gedreht hat. Ann und Hannes wollen auf die Berghütte, die seiner Familie gehört, doch da haben sich schon sein Vater Hans-Gert (Peter Kurth) und dessen überaus junge Freundin Lavinia (Rosalie Thomass) einquartiert. Seit acht Jahren haben sich Vater und Sohn nicht gesehen, und die Frage nach dem Warum ist das Thema dieses Films. Eigentlich will Hannes sofort abreisen, als er bemerkt, dass die Hütte schon besetzt ist, doch Ann votiert für das Bleiben, weil sie hofft, einen Schlüssel für ihre Probleme mit ihm zu finden. Paartherapie eben.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn wird zu einem emotionalen Katz- und Mausspiel. Hannes, ein Jungschauspieler, zieht seinen Vater auf, beschuldigt ihn, während der Vater einlenkt, Aussöhnung sucht, seinem Sohn sogar einen Vertrag an »seinem« Theater anbietet. Das wäre auch eine schöne Rolle für Sepp Bierbichler gewesen, der raumdominante, offenbar abgehalfterte Theaterregisseur, aber Peter Kurth macht seine Sache gut. Immer mehr kommen in der Abgeschiedenheit der Berghütte die Schatten der Vergangenheit ans Licht, und natürlich handelt dieser Film von Missbrauch, wenn auch nicht von direkt sexuellem, so doch sexuell konnotiertem. Und so findet der Vatermord auch im Bett statt: Hannes schläft mit Lavinia.
Der Titel »Bergfest« ist vieldeutig. Nach einer Bergtour sitzen die vier im Schnee und lassen die Schönheit der Bergwelt auf sich wirken, eine erhabene, aber auch kalte Schönheit. Von Vulkanen ist die Rede, was auch auf das Feuer hinweist, das immer noch zwischen Vater und Sohn lodert. »Bergfest« kann auch bedeuten, dass die Hälfte des Weges geschafft ist. Und natürlich steckt in diesem Titel auch eine Anspielung an Thomas Vinterbergs »Das Fest«, an den in der Tat vieles im Debüt von Florian Eichinger erinnert.
Doch nicht alles an diesem Film ist so vieldeutig wie sein Titel. Dem Film ist auch seine Suche nach Bedeutsamkeit anzumerken. »Ich bin in dieser Welt nur ein fremder Gast«, sagt der Vater einmal, der gerne mit einer Armbrust auf Jagd geht und schon zu Beginn ein Kaninchen irgendwie übergriffig häutet. Doch auch wenn vieles aufgesetzt und mitunter hölzern wirken mag: Man kommt nicht umhin, den Mut und auch die Konsequenz zu bewundern, mit der Eichinger sein Beziehungsdrama in einem Labor der Gefühle realisiert hat.
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