Kritik zu Salt
Tatsächlich ihr Salz wert: Ausgerechnet Phillip Noyce haucht mit einer von Angelina Jolie gespielten Superagentin dem doch fast aus der Mode gekommenen Genre des Spionagethrillers neues Leben ein
Der Kalte Krieg ist lange vorbei, von Spionen der Exsowjetmacht geht wirklich keine Gefahr mehr aus. Elf russische »Schläfer«, erst kürzlich enttarnt, erwiesen sich als völlig harmlos. Trotzdem greift Phillip Noyce diesen nostalgischen Topos des Agententhrillers auf. Jener Phillip Noyce, der mit seinem »Quiet American«-Remake bewies, dass er politisch und psychologisch nuancierte Spionagefilme drehen kann. Sein aktueller Film ist dagegen pures Popcornspektakel – doch kein Popcorn mit Zucker, sondern eben mit »Salt«.
Der Film funktioniert so gut, dass man gerne vergisst zu fragen, warum. Eine offenbar abstruse Geschichte dient als Aufhänger für eine exzessive Materialschlacht. Die Anzahl der zerschellenden Autos ist kaum noch zählbar. Diese Verfolgungsjagden sind normalerweise ermüdend, enden sie doch immer in jener gepanzerten Kommandozentrale, wo der Gute den Bösewicht in letzter Sekunde davon abhält, die Welt in eine nukleare Katastrophe zu stürzen. Doch Noyce und sein Buchautor Kurt Wimmer haben diese anachronistische Story originell variiert.
Evelyn Salt, eine als loyal geltende Topagentin, verhört den russischen Überläufer Orlov, der sie überraschend beschuldigt, eine russische Schläferin zu sein. Ihre irritierten Kollegen kommen nicht dazu, Fragen zu stellen, denn schon befindet Evelyn sich auf einer atemlosen Flucht. Im 15-Minuten-Rhythmus folgt eine Actionsequenz auf die nächste. Als bezaubernd teuflische Actionheroine wandelt Angelina Jolie auf den Spuren der Comic-Erfindung Modesty Blaise (in der Verfilmung von Monica Vitti verkörpert).
Schlüpft eine Frau in diese typische Bond-Figur, dann entstehen im ausrangierten Actionmuster Irritationen und Ironien, und die machen den eigentlichen Reiz von »Salt« aus. Wenn Evelyn auf der Flucht die Überwachungskamera mit ihrem Slip verhängt, dann ist das ein Statement. Leichen pflastern ihren Weg, auf dem Männer nur als Kanonenfutter fungieren. Wenn Evelyn vom Rücksitz eines Polizeiwagens aus Gas geben muss, dann »reanimiert« sie den erschossenen Fahrer mittels Elektroschock: Die Superagentin zweckentfremdet die Technologie der Männerwelt wie eine Hausfrau, die geschickt zu improvisieren versteht. Und wenn die Heroine den Bösewicht am Ende mit den Ketten ihrer Handschellen erdrosselt, dann verbeugt Noyce sich gar vor Pedro Almodóvars »Atame!« Sozusagen wie einst Bauknecht, weiß »Salt«, was Frauen wünschen. Nicht zufällig verändert Angelina Jolie permanent ihre Frisur, das Outfit und überzeugt auch als Mann mit kurzen Haaren.
Das alles funktioniert, weil der Plot nicht einfach nur gaga ist. Ohne den Hintergrund einer realen Bedrohung wäre »Salt« eine stumpfe pyrotechnische Nummernrevue. Die »russischen« Agenten sind eine Anspielung auf jene islamistischen Schläfer, gegenüber denen der technisch hochgerüstete US-Geheimdienstapparat tatsächlich machtlos ist. Es gibt, so die aufreizende Pointe des Films, nur eine wirksame Waffe gegen diese »Schläfer«: eine Frau. Und das macht Sinn. Nur eines kann Evelyn nicht: kochen.
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