Kritik zu Dschungelkind

© Universal Pictures

Nach einer Reihe historischer Fernsehfilme (»Die Grenze«, »Mogadischu«, »Das Wunder von Berlin«, »Dresden – das Inferno«) hat Roland Suso Richter jetzt Sabine Kueglers Bestsellerroman »Dschungelkind« verfilmt

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Reisen in Zeit und Raum mit dem Ansatz des Anthropologen, in fremde Welten einzutauchen, gehören zu den schönsten Missionen des Kinos. Ein wenig erinnert das Szenario von »Dschungelkind« an Peter Weirs »Mosquito Coast«, in dem ein Vater in ähnlicher Weise seine Familie aus der Zivilisation ins einfache Leben im Dschungel verpflanzt. Statt überdrehtem Idealismus ist hier jedoch die Forschung der Motor der Geschichte, denn Klaus Kuegler, Vater der späteren Autorin, hat im Dschungel von Papua-Neuguinea einen neuen Stamm entdeckt, dessen Sprache er studieren will, bevor sie durch die Berührung mit westlichen Zivilisationen verfälscht wird. Der Vater geht voran, bereitet ein paar Monate lang alles vor. Als dann die Mutter (Nadja Uhl) mit ihren drei Kindern im Hubschrauber auf einer Lichtung im Nirgendwo landet, wartet eine fremde, zugleich unheimliche und verwunschene Welt auf die Familie, ein enormer Kulturclash.

Alle Regeln ihres alten Lebens sind obsolet, zwischen Misstrauen und Neugier kommt es zu ersten Beobachtungen und Begegnungen. Die staunenden und noch mehr bestaunten weißen Kinder werden Zeugen unheimlicher Rituale, die in einem archaischen Stammeskrieg kulminieren. Unterschiedliche Auffassungen prallen aufeinander, so ist es für Mutter Doris Kuegler schwer hinzunehmen, dass jede Krankheit und Verwundung in der Kultur des Stammes ein Fluch ist, der ohne Gegenwehr als ein göttliches Urteil hingekommen wird. Mit ihrem Medizinköfferchen und dem unbezwingbaren Willen, zu helfen, stößt sie auf Unverständnis, und auch den Errungenschaften der Emanzipation, die sie im finsteren Urwald einführt, bringen die Stammesmitglieder Unverständnis entgegen. Dieser Frau, die leicht naiv und lächerlich wirken könnte, verleiht Nadja Uhl mitreißenden Schwung, berührende Herzenstiefe und eine instinktive Zivilcourage. Zusammen mit Thomas Kretschmann als Filmehemann hat sie sich spürbar mit allen Sinnen auf die Herausforderungen und Erfahrungen dieses Drehs eingelassen. Als dann die achtjährige Sabine bei einem Streifzug im Dschungel einen verwundeten Jungen des gegnerischen Stammes findet, den die Eltern gesund pflegen können, beginnt für beide Kinder eine Initiationsgeschichte. Unter den besorgten Blicken der Eltern verwandelt sie sich im Laufe der Jahre in eine tief empfunden Liebesgeschichte. Doch so viel geglückte Integration geht den Eltern dann doch zu weit.

Roland Suso Richter nimmt sich viel Zeit für die Annäherung, für lange Blicke und zaghafte Kontaktaufnahmen, und indem er ganz nah und unmittelbar an der unschuldig neugierigen Wahrnehmung des Mädchens bleibt, verstärkt er den Zauber der fremden Welt. Doch wenn es dann nach Jahren des Dschungels um die Rückkoppelung mit der Heimat geht, geraten die nur kurz angerissenen Besuchsszenen recht kolportagehaft: Ist es wirklich glaubwürdig, dass ein Kind, das bis zum Alter von acht Jahren in Deutschland gelebt hat, vergisst, was Speiseeis ist? Den großen Bruch zwischen den Welten kann Sabine Kuegler erst überwinden, als sie sich ihre Erlebnisse von der Seele schreibt.

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