Kritik zu Trash Humpers
Harmony Korines Mischung aus Mockumentary und YouTube-Video zeigt eine Gruppe von vier Personen bei bizarren Aktivitäten und kehrt zu seinen Wurzeln zurück
Der postapokalyptische Science-Fiction-Film hat seinen Schlüsselmoment, wenn der Held in den Ruinen der menschlichen Zivilisation auf ein Zeugnis aus der Vergangenheit stößt, gewöhnlich ein Tonband oder ein verkratzter Nachrichtenfilm. Harmony Korines »Trash Humpers«, mehr ein Artefakt denn ein Film im herkömmlichen Sinne, spielt mit genau dieser Idee. Digital gefilmt, hat Korine seinen Film so stark nachbearbeitet, dass er wie eine VHS-Kopie in der fünften Generation aussieht, komplett mit Video-Drop-outs, Laufstreifen und gelegentlich blinkender Play-Anzeige im oberen Bildfenster. Zukünftige Generationen dürften sich wundern, sollte ihnen »Trash Humpers« in die Hände fallen.
Die sozialen Praktiken, die der Film zu dokumentieren vorgibt, sind mit grenzwertig nur vorsichtig umschrieben. Korine folgt einer Gruppe von vier Personen in Seniorenmasken durch eine suburbane Einöde. Auf verlassenen Parkplätzen und in zugemüllten Seitengassen gehen seine Protagonisten merkwürdigen Aktivitäten nach: Wie notgeile Teenager rammeln sie Mülltonnen (das titelgebene »trash humping«), verarbeiten Fernseher zu Kleinholz und fahren heulend auf Kinderrädern durch leer gefegte Straßen. Zwischendurch holen sie echte Senioren vor die Kamera, filmen sich gegenseitig beim Erzählen homophober Witze und singen in schiefer Tonlage »Stille Nacht«. Nach 78 Minuten ist der Film einfach vorbei.
So singulär »Trash Humpers« aus der Masse des aktuellen amerikanischen Independentkinos auch herausragt, lassen sich doch historische Vorläufer finden. Mitte der 80er Jahre formierte sich in New York um die Filmemacher Richard Kern und Nick Zedd das »Cinema of Transgression«, das gleichermaßen von der Performancekunst der Wiener Aktionisten, dem amerikanischen Undergroundfilm der 60er Jahre und der lokalen Punk-/Noise-Szene beeinflusst war. Korine kehrt nun nach einem kurzen Ausflug ins große Kino (seinem vergleichsweise konventionellen »Mister Lonely« über einen traurigen Michael-Jackson-Imitator war an der Kinokasse wenig Glück beschieden) zu seinen Wurzeln zurück. »Trash Humpers« dreht sich wieder um den White-Trash-Lebensraum seiner Filme »Gummo« und »Julian Donkey-Boy«. Zwei unvergessliche Szenen werden in »Trash Humpers« sogar wieder aufgegriffen: die schmerzhaften Esstischgespräche aus »Julian Donkey-Boy« (diesmal ohne Werner Herzog) und die entgrenzte Küchenzerstörungsorgie aus »Gummo« hat Harmony Korine noch einmal auf die Spitze getrieben.
»Trash Humpers« ist im Grunde eine Posse, doch was Korines »faux video vérité« etwa von »Jackass« unterscheidet, ist die unterschwellige Aggression, die sich mitunter gegen den Zuschauer selbst zu richten scheint. Korine war immer schon mehr Anthropologe als Filmemacher. So trifft er mit der Schilderung quasi-tribalistischer Rituale als Relikte unserer westlichen Konsumgesellschaft in den zombiehaften Kulissen der amerikanischen Vorstadt durchaus einen Nerv. Aber Korine kann der Verlockung quälender Redundanz nicht widerstehen. Wäre »Trash Humpers« etwas kürzer, hätte er das Zeug zum Mitternachtsklassiker.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns