Kritik zu Das Schmuckstück

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Catherine Deneuve ist in jedem Film ein Schmuckstück. François Ozons neue Emanzipationskomödie im Retrolook handelt davon, wie sie diese Rolle ablegen will, was ihr natürlich umso besser steht

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Eine »Potiche« (so der Originaltitel) ist laut Wörterbuch eine »japanische oder chinesische Porzellanvase«, im französischen Alltagssprachgebrauch auch ein häusliches weibliches Dekorationsstück zu männlichem Distinktionsgewinn. Dieses spielt in Ozons Film seine Rolle erst mal perfekt, ganz egal, ob die leicht matronige Suzanne Pujol (Catherine Deneuve) in blaugepunkteter Schürze Schlager trällernd die Spülmaschine bewirtschaftet, Rosen andichtet oder dem Hausherrn die Kristallkaraffe für die Herztropfen reicht. Ja, selbst im knallroten Laufanzug ist die mit Catherine Deneuve fabelhaft besetzte Suzanne zu 150 Prozent Grande Dame. Alles in bester Ordnung, wäre da nicht Gatte Robert, der selbst für einen bourgeoisen Patriarchen fast ein bisschen zu patriarchal ist und seine cholerischen Anfälle im heimischen Chateau an der Ehefrau ablässt, und in der gleich nebenan angesiedelten Regenschirmfabrik an den Mitarbeitern. Sexuell lässt er sich während der Dienstzeit von der Sekretärin beglücken, feierabends im Badaboum-Club vollprofessionell.

In Schwung gebracht wird die Komödie mit einer gewerkschaftlich-körperlichen Parallelaktion: Erst bricht im Werk ein Streik aus, ein Herzinfarkt kommt hinzu – und plötzlich ist der böse Patron im Krankenhaus und Suzanne rückt mit Hermelinstola und Schmuck behängt (»die Arbeiter haben die Werte ja erarbeitet, da sollen sie auch etwas davon haben«, sagt sie) zur Betriebsversammlung an. Und siehe da: Trotz ihres grässlichen Auftritts ist die neue Chefin nicht nur höchst kompromissbereit, sie führt das einst von ihrem Vater gegründete Familienunternehmen auch innerhalb weniger Monate zu paradiesisch sozialpartnerschaftlicher Blüte – an ihrer Seite ein erz-neoliberales Töchterlein und ein Sohn, der seine künstlerische Neigung mit der Kreation von Kandinsky-Schirmen ausagieren darf. Erwähnt werden muss noch, dass Madame in ihrer Jugend ein radpannenbedingtes Techtelmechtel mit einem Pujol-Arbeiter hatte, der mittlerweile als schwergewichtiger kommunistischer Bürgermeister (Gérard Depardieu) auch politisch Einfluss hat. Selbstverständlich schickt der vergangene Vorfall seine amourösen Spuren auch ins filmische Jetzt.

Dieses liegt in der Vergangenheit, denn François Ozon hat seine freie Adaption eines in »Acht Frauen«, seiner ersten Zusammenarbeit mit Deneuve – lustvoll im Dekor zu schwelgen: Alles sitzt perfekt, selbst die haarspraysatten Frisuren sind farblich exakt auf das herbstgestimmte Mobiliar der Pujol-Villa abgestimmt. Und das poppige Farbdesign der Regenschirmfabrik erinnert an Deneuves frühe Filme mit Jacques Demy, dessen »Die Regenschirme« von Cherbourg hier ja auch motivisch ein hübsches Denkmal gesetzt wird.

Die Schwächen des dennoch höchst ansehnlichen Films liegen in der Durchführung des Plots, der nach der hoffnungssetzenden Exposition mit groben Inkonsequenzen und Detailarmut in eigentlich komödienträchtigen Aspekten enttäuscht: So wird der innerbetrieblichen Zusammenarbeit des gegensätzlichen Mutter-Tochter-Gespanns keine einzige Filmsekunde gewidmet. Besonders erstaunt aber, dass Ozon selbst seinen Film als Beitrag zur Emanzipation der Frau sieht. Ohne zu viel von der Handlung preiszugeben: Suzanne hört am Ende doch genau da auf zu kämpfen, wo sie eigentlich anfangen müsste. Dass sie stattdessen ohne sichtbares Programm in einen privat motivierten Wahlkampf zieht, kann eigentlich nur als hämische Parodie weiblicher Politambitionen verstanden werden. Ozon hatte 1998 seine Filmkarriere als junger Wilder begonnen. Hier kämpft er als Don Quixote gegen das im 70er-Jahre-Look verkleidete Frauenbild der 50er.

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