Kritik zu Amy
Nur acht Jahre stand Amy Winehouse im Zentrum des Musikgeschäfts, aber sie verkaufte über 25 Millionen Tonträger. Asif Kapadia (»Senna«) sucht in seinem großartigen Dokumentarfilm nach der Stelle, an der sich alles gegen Amy zu wenden schien und sie dem Druck nicht mehr standhielt
Asif Kapadias Dokumentarfilm Amy ist keine Biografie. Allenfalls eine Bestandsaufnahme dessen, was unter dem Namen Amy Winehouse in die Musikgeschichte einging, und dann doch viel mehr. Ähnlich wie in seinem Film Senna, der den brasilianischen Rennfahrer Ayrton Senna im Rahmen seiner Karriere als Formel-1-Rennfahrer darstellt, erzählt Regisseur Asif Kapadia hier eben auch vom Musikgeschäft, von den Möglichkeiten und dem Strom, der einen mitreißen kann, bis zum Untergang. Je stärker sich Kapadia dabei zurückhält, desto eindringlicher wird seine Aussage. Amy Winehouse ist ein weiteres Opfer der Selbstentgrenzung innerhalb der Popkultur, gepaart mit der unermüdlichen Suche nach sich selbst in der Klammer des großen Geschäfts. Und auch sie war, wie Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix und viele andere mehr, gerade mal 27 Jahre alt.
Denn schon wenige Szenen später ist Amy das, was wir von ihr kennen. Eine kleine, schlanke Person mit »Beehive«-Frisur und großen Tattoos auf den Armen will der Welt mitteilen, wohin sie gehört: »Daddy’s Girl« steht da und später »Blake’s« auf ihrer linken Brust. Daddy allerdings, das wird der Film offenbaren, ist fortan immer dabei, wenn es um die Karriere seiner Tochter geht. Selbst dann noch, wenn sie sich in ein Inselparadies zurückzieht, um die Ruhe zu finden, die ihr im Alltag des Pop-Business verwehrt bleibt. Mitch Winehouse verdanken wir die Bilder, die Amy dort am Strand zeigen, während ihr Mann Blake in London im Gefängnis sitzt. Und dass Amy das nicht gefallen hat, sehen wir auch. In diesen kleinen Momenten zeigt sich die Härte eines Lebens, das quasi ausschließlich in der Öffentlichkeit stattfindet. Mitch Winehouse hat gegen den Film protestiert. Er zeige eine falsche Seite seiner Tochter und berufe sich dazu auf die falschen Leute. Er kündigte an, selbst einen Film über Amy drehen zu wollen, und sagte: »Es wurde debattiert, Lady Gaga als Amy zu besetzen, aber ich möchte definitiv, dass George Clooney mich spielt.« Auch darin sieht man den Grund für seinen Protest: Er kommt einfach nicht gut genug weg.
Was man aber auch sieht, neben dem ungeheuren Druck des Geschäfts, dem plötzlichen Erfolg, der viel Kraft kostet, und dem fast schon klischeehaften poptypischen Exzess, ist ein kleines Mädchen mit einer tiefen, durchdringenden Stimme auf der Suche nach Liebe. In dem Moment, in dem alles zusammenbricht, sie sturztrunken in Belgrad auf der Bühne steht und keinen Ton herausbekommt, umarmt sie ihren Bassisten wie einen Vater. Wir hören nicht, was sie sagt, aber wir sehen einen zutiefst verzweifelten Menschen. Am 23. Juli 2011 starb Amy Winehouse in London an Herzversagen infolge einer Alkoholvergiftung.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns