Kritik zu Parcours d'amour
Statt zu Berliner Teenagern geht Bettina Blümner (Prinzessinnenbad) diesmal zu Pensionisten und Pensionistinnen im Herzen Frankreichs, wo sie über »l’amour« plaudern und nachmittäglich das Tanzbein schwingen
Die Filmemacherin Bettina Blümner hatte 2007 mit ihrem ersten langen Dokumentarfilm Prinzessinnenbad einen Überraschungserfolg. Damals begleitete sie drei temperamentvolle Teenagermädchen aus Berlin-Kreuzberg in clipartigen Vignetten durch den postpubertären Alltag. Jetzt kommt Blümner mit einem neuen Dokumentarfilm, der eine Handvoll Menschen in einem späten Stadium ihres Lebens porträtiert. Es sind alleinstehende Damen und Herren von sechzig aufwärts, deren Lebensbemühungen, Begehren und Tätigkeiten – so erzählt es jedenfalls der Film – tagaus, tagein um einige Pariser Tagestanztempel und die Liebe in ihren vielfältigen Formen kreisen.
Dabei steht der Spaß am Tanzen selbst und der Wunsch nach Zweisamkeit bei den einzelnen Männern und Frauen in unterschiedlichem Verhältnis. Manche sind ernsthaft auf der Suche nach einem Partner, andere genießen die Geselligkeit. Leidvolle Erfahrungen in der Vergangenheit haben fast alle. Und es gibt auch einen sogenannten Taxiboy, der mit Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts gegen Bezahlung über das Parkett schwingt und für richtig gutes Geld auch mal ein ganzes Wochenende zur Verfügung steht. Dafür nimmt Michel sechzig Euro die Stunde werktags plus Spesen, am Samstag fast das Doppelte, ab vier Stunden gibt’s Rabatt. Amourositäten sind aber grundsätzlich ausgeschlossen: So vorsichtig ist der schnittige Eintänzer, dass er einmal selbst ein unverfängliches Anstoßen mit der Tanzpartnerin auf »l’amour« ablehnt und in »la danse« korrigiert. Und am Anrufbeantworter zu Hause nimmt zur Absicherung die Ehefrau die Tanzaufträge an.
Im Leihtänzertum, in der melancholischen Tonlage (ein fast unvermeidliches Beiprodukt, wenn junge Menschen Filme über ältere Menschen machen?) und mit den vielen etwas ausufernden Tanzszenen erinnert Parcours d’amour an Stephan Bergmanns Kreuzfahrtdokumentation Die letzten Gigolos aus dem letzten Jahr. Aber dort wurden zumindest am Rande des Geschehens noch ein paar andere Dinge verhandelt, während die Helden und Heldinnen von Parcours d’amour wirklich ausschließlich mit der Zweisamkeit beschäftigt scheinen.
Für einen ganzen Film ist das zu wenig, zumal Blümners Inszenierung geradezu exzessiv auch die Geschlechterrollenmuster ihrer Figuren ausstellt: Während die Männer auch mit achtzig nur das Eine im Kopf haben (nur nicht mehr die Kraft, es auch auszuführen) und sich kerlig als polygame Lustmolche darstellen, geben sich die Frauen als Opfer betrügerischer Machenschaften oder anzüglicher Aufdringlickeiten. Auch wenn solch eindimensionale Sichtweisen auf das Leben unter französischen Rentnern Norm sein mögen, so ödet ihre Stereotypie beim Zuschauen doch nach einer Weile an. Es wäre Sache der Regie gewesen, hier für Spannung durch eine gewisse Vielstimmigkeit zu sorgen. Ansonsten sollte man schon etwas der französischen Sprache mächtig sein, um die verbalen Feinheiten der Dialoge überhaupt zu goutieren.
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