Kritik zu Das dunkle Gen
Depression zwischen Betroffenheit und Wissenschaft: Die Regisseure Miriam Jakobs und Gerhard Schick begleiten einen Mann, der zugleich Arzt und Patient ist, bei dessen Suche nach den Wurzeln der Krankheit Depression
Etwa vier Millionen Deutsche leiden an Depression. Das ergäbe ein großes potenzielles Publikum für diese Dokumentation, in der die Regisseure Miriam Jakobs und Gerhard Schick den selbst an Depression erkrankten Arzt Frank Schauder auf der Suche nach den genetischen Bestimmungen seiner Krankheit begleiten. Wer in seinem Alltag nicht mit der Krankheit konfrontiert ist, findet wohl schwerer einen Zugang. Was nicht nur mit der Thematik, sondern auch mit an der Herangehensweise der Regisseure zu tun haben mag.
Die Offenheit von Frank Schauder ist dabei erstaunlich. Er erzählt von Zusammenbrüchen, von Ehescheidung, Berufsverlust und Klinikaufenthalten, von paranoidem Leiden und Selbstmordgedanken. Aber er berichtet auch, dass er das alles überwunden hat. Dann wird der Ton abgeklärt, wie eine medizinische Karteikarte und hat wenig etwa mit dem erstaunlichen Text eines David Foster Wallace gemein, der den Planeten Trillaphon, auf dem er sich nach der Medikation befindet, als gemütliche, aber durch und durch fremde Lebenswelt beschreibt.
Mit der Sachlichkeit des Mediziners geht Schauder auf die Suche nach dem »schuldigen« Gen, immer mit der Angst im Rücken, seinem Sohn die tückische Krankheit vererbt zu haben. Das ist die eine Seite des Filmes, der Wunsch nach Erkenntnis und Kontrolle, nach Handhabung und nach Heilung. Die andere ist die bildliche Umsetzung dieser Untersuchungen. Wabernde Moleküle, computeranimierte Partikel und milchstraßenähnliche Flächen in nüchternem Schwarz-Weiß bekunden den Gestaltungswillen. Als hätte man die psychedelische Wirkung vermeiden wollen, die Aufnahmen von Gensequenzen durchaus haben können, ist man ins graue Nichts ausgewichen. Ähnlich ist es mit den Versuchen der irischen Komponistin Deirdre Gribbin, die sich darum bemüht, die DNA in Musik umzusetzen. »Es soll nicht schön klingen«, sagt sie ihren Musikern und nimmt damit der akustischen Dissonanz nur wenig von ihrer enervierenden Wirkung. In der Auseinandersetzung mit dem Code, der unser Leben bestimmt, gibt es viele Wege und Möglichkeiten. Die Stringenz des Filmes aber leidet unter dieser Beliebigkeit.
Stark ist Das dunkle Gen immer dann, wenn der Film ganz nah bei seinem Protagonisten bleibt. Wenn Frank Schauder die Stimme versagt bei der Erinnerung an seinen fünfjährigen Sohn, wenn er den inzwischen fast Erwachsenen am Bahnhof abholt oder mit ihm kleine chemische Versuche macht. Wenn der Film Geschichten erzählt, kleine, unbedeutende Momente festhält und so das allgemein Menschliche in den Vordergrund rückt, schafft er Verbindungen. In der Diskussion um genetische Einflussnahme aber bleibt er zu oberflächlich. Die Hoffnung, irgendwann genetische Krankheiten ausrotten zu können, klingt verlockend. Unbeachtet bleiben die Probleme, die der wissenschaftliche Fortschritt mit sich bringt. Die künstlerische Umsetzung genetischer Prozesse offenbart zwar das Ziel, zu verstehen, wie es in der Welt der Gene zugeht, bleibt aber im Ergebnis hilflos. So gibt sich der Film suchend, aber ohne wirklich etwas zu finden.
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