Kritik zu Baikonur

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Der neue Film von Veit Helmer: In der kasachischen Steppe, zwischen Jurten und Weltraumbahnhof, fallen noch Märchenprinzessinnen vom Himmel, doch auch dort muss man erwachsen werden . . .

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Baikonur – bereits das Wort verheißt Ferne und Geheimnis. Irgendein Flecken in den Weiten Kasachstans, zugleich aber der legendäre sowjetische Weltraumbahnhof, von dem aus Juri Gagarin 1961 als erster Mensch ins All startete. Besucher waren an diesem Ort lange Zeit so wenig erwünscht, dass er auf der Landkarte 400 Kilometer von seiner tatsächlichen Lage entfernt eingezeichnet wurde. Veit Helmer wurde nun als Erstem gestattet, hier einen Spielfilm zu drehen, und er hat mit seinem internationalen Team ganz auf diese Extreme von archaischer Steppenlandschaft und dem Hightech der Raketenstadt gesetzt. In einer für ihn typischen Manier: Mit märchenhaften und skurrilen Elementen sowie einer ordentlichen Prise Naivität erzählt er von der Liebe und den Träumen.

Im Dorf von Iskander, genannt »Gagarin«, scheint die Zeit stehengeblieben. Man lebt wie vor Jahrhunderten in Jurten, und zu Pferd und Traktor eilt man zu den Absturzstellen der Raketenteile, die beim Start abgestoßen werden, denn die bringen gutes Geld. Ihre Koordinaten berechnet Gagarin, der so gerne selbst Kosmonaut wäre, vorerst aber nur heimlich die Funksprüche von Baikonur auffängt.

Dann landet eines Tages die Weltraumkapsel der hübschen französischen Weltraumtouristin Julie quasi vor seinen Füßen, und er nimmt die Bewusstlose einfach mit nach Hause – denn, so ein kasachisches Sprichwort: »Was vom Himmel fällt, darf man behalten.« Es folgen weitere märchenhafte Wendungen: der Dornröschenkuss, mit dem Gagarin seine schlafende Schöne weckt; die Amnesie, an der sie zunächst leidet, weshalb er ihr weismachen kann, sie sei seine Verlobte; ein Liebesakt, in dem sie während des Höhepunkts plötzlich ihr Gedächtnis wiedererlangt.

Die Schwerelosigkeit jedoch, um die es hier auch geht und von der Gagarin stets träumt, geht dem Film in weiten Teilen ab, trotz seiner beeindruckenden Bilder von Raketenstarts. Und das Märchen, das Veit Helmer zunächst erzählt, zersetzt sich im Laufe des Films selbst, denn letztlich ist Baikonur ein Coming-of- Age-Film und erzählt auf den Pfaden des Wunderbaren die Geschichte einer großen Desillusionierung. Was ja durchaus spannend sein könnte.

Doch so ruhig er seine Handlung entfaltet, so unkonzentriert wirkt er dabei auch. Die Gegensätze von archaischem Dorf und Weltraumbahnhof werden vorgeführt, aber nicht zum Sprechen gebracht, Ambivalenzen in der Darstellung des heimelig-ursprünglichen Lebens sind allenfalls zu erahnen. Auch die Figuren sind allzu dürftig gezeichnet: Die Dorfgemeinschaft kommt über ein paar wettergegerbte Gesichter und exotische Gepflogenheiten nicht hinaus, und während wenigstens Gagarin ein paar Konturen gewinnt, ist es geradezu erschreckend, wie leer sein Gegenüber Julie – immerhin schön anzusehen: Marie de Villepin – bleibt. Wenn am Ende dann mit den hochfliegenden Träumen aufgeräumt ist und jeder weiß, wohin er gehört, legt das zudem eine recht einfach gestrickte Moral nah. Wozu in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah! Oder, wie man in Kasachstan sagt: »Vertraue auf Allah, aber binde deinen Esel an.«

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