Kritik zu Straw Dogs – Wer Gewalt sät
Rod Luries Remake des Kontroversen auslösenden Sam-Peckinpah-Films von 1971 versucht, die Ursachen der Gewalt mit in den Blick zu nehmen
Als Sam Peckinpahs Wer Gewalt sät vor 40 Jahren in die Kinos kam, hat er weltweit Schockwellen ausgelöst. Die zentrale Doppelvergewaltigung, die zumindest phasenweise eine gewisse Komplizenschaft des Opfers mehr als nur andeutet, pochte auf eine fundamentale Ambivalenz aller menschlichen Regungen und war zugleich ein kaum verhohlener Angriff auf feministische Positionen. Mit seinem archaischen Menschenbild hat Peckinpah den pazifistischen Ideen der 60er Jahre zu Beginn der neuen Dekade noch einmal eine deutliche Abfuhr erteilt. So haben sein Film und die ihn begleitenden Skandale bis heute eine ungeheuere Symbolkraft.
Nun hat sich der ehemalige Filmkritiker und Autor Rod Lurie an ein Remake gewagt. Aber ein erneuter Skandal ist wohl kaum zu erwarten. Letztlich will Lurie, anders als Peckinpah, der seine Außenseiterstellung im amerikanischen wie im europäischen Filmgeschäft mit jedem seiner Filme neu zementiert hat, wohl auch gar nicht provozieren. Während das Enfant terrible des Männerkinos seine Idee von der atavistischen Natur des Menschen, die von der Zivilisation nur notdürftig überschminkt wurde, als allgemeingültige Wahrheit postuliert, geht Lurie auf die Suche nach den Ursachen.
Amy Sumner (Kate Bosworth) hat es geschafft; sie ist in Hollywood zum Star einer Fernsehserie geworden. Nun kehrt sie zusammen mit ihrem Ehemann David (James Marsden), einem erfolgreichen Drehbuchautor, der gerade an einem Projekt über die Schlacht um Stalingrad arbeitet, in ihre Heimatstadt Blackwater, Mississippi, zurück. Und natürlich lassen sich die beiden einen ersten großen Auftritt nicht nehmen, wenn sie mit ihrem alten, aber perfekt erhaltenen Jaguar-Cabrio vor dem Diner vorfahren. So fordern sie von Anfang an die Bewohner der Stadt heraus, und einer, der sofort darauf reagiert, ist Amys High- School-Freund Charlie (Alexander Skarsgård).
Ein Riss geht in Luries Straw Dogs durch die Vereinigten Staaten. Er trennt die Menschen auf dem Land von denen in den Metropolen, die, für die Geld keine Rolle spielt, und die, die gerade so durchkommen; und sollten sie doch einmal aufeinandertreffen sind Konflikte und Gewalt vorprogrammiert. So erzählt Lurie von einer letztlich nur konsequenten Eskalation, in der die Macht immer ungleich verteilt ist. Selbst in einer Situation, in der sich Charlie und die anderen Kleinstädter sicher sind, in der Übermacht zu sein, stehen sie noch auf verlorenem Posten. Diese verblüffende Perspektive schafft im Vergleich zu Peckinpahs Film noch einmal ganz neue Verhältnisse. So erweist sich ausgerechnet Alexander Skarsgårds Charlie als emotionales Zentrum der Erzählung. In dem Moment, in dem er Amy vergewaltigt, die sich hier eindeutig widersetzt, zerbricht etwas in ihm. Sein Sturz ist selbstverschuldet, aber gerade darin liegt eine Tragik, die Peckinpah keiner seiner Figuren zugestanden hat.
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