Kritik zu Unser Leben
Vertraute Protagonisten, gewohnt spektakuläre Einblicke in bizarr scheinendes Verhalten unter ständiger Betonung der auch im Tierreich herrschenden Familienwerte: Voilà die Marke BBC-Naturfilm, vom Fernsehen ins Kino übertragen
Robbenbabies unter antarktischem Eis. Käfersex in bedrohlicher Nahaufnahme. Züngelnde Echsenzungen zur Extremzeitlupe zerdehnt. Die Produktionen der BBC dominieren den Naturfilmmarkt und sind längst eine Marke für sich. Dabei verwertet man das extrem aufwendig gedrehte Material gerne mehrfach. So war der lange Dokumentarfilm Unsere Erde (2007) ein Recycling der Fernsehserie »Planet Erde«. Und Unser Leben (Original: One Life) beruht auf Vorlage des TV-Zehnteilers »Life – Triumph des Lebens«, dessen spektakuläre Tieraufnahmen (der deutsche Titel erinnert nicht umsonst an Riefenstahls Reichsparteitagfilm) hier in neuer, allzu sprunghafter Schnittfolge kombiniert werden. Regie führen mit Martha Holmes und Michael Gunton die Produzenten der Serie; bekennenden Tierfilmliebhabern sind viele der Protagonisten wie die in heißen Bergquellen saunierenden Schneeaffen oder der Balztanz der Renntaucher bestens bekannt. Neu ist der Kommentar, den diesmal statt David Attenborough Daniel Craig mit sonorer Stimme und sentimentaler Schlagseite spricht. Denn »Leben« meint hier nicht Staunen über die Vielfalt, sondern die Propagierung »familienwertiger« Verhaltensweisen, die zudem in bester Tradition von Disneys Die Wüste lebt vorschnell zwischen tierischem und menschlichem Dasein kurzgeschlossen werden: Geburt, Kinderaufzucht, Nahrungssuche, Paarung sind – in oft bizarren Formen – die Stationen der filmischen Reise. Wer wissenschaftsnaiv erwartet hatte, etwas über die komplexen Lebenszusammenhänge auf dem Planeten zu erfahren, dürfte schnell enttäuscht sein. Offensichtlich sind mittlerweile auch bei der BBC die family values das einzig geltende Naturgesetz. Dabei ist Ideologie sicher nur ein Teil des Geschäfts: Mindestens ebenso wichtig dürfte das Bestreben sein, den Film samt Narration so weltumspannend gefällig zu erzählen, dass sowohl wiedergeborene Christen wie fromme Muslime mit ihrem Nachwuchs gerne ins nächste Kino ziehen.
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