Kritik zu Die Farbe des Ozeans
Irreguläre Einreisen auf dem Seeweg: Die deutsche Drehbuchautorin und Regisseurin Maggie Peren widmet sich in ihrem neuen Film dem komplizierten sozialen Gefüge an einer Außenstelle der »Festung Europa«, den Kanarischen Inseln
Mit spontaner Hilfsbereitschaft reagiert die Touristin Nathalie, als sie die entkräfteten Flüchtlinge am Strand von Gran Canaria erblickt. Doch als sie mit den eiligst gekauften Wasserflaschen für einen der Männer und seinen Sohn zurückkommt, ist die Polizei bereits vor Ort. Der Beamte José verweist die Urlauberin im knappen Bikini kühl vom Strand. Zola und Mamadou, so heißen der Flüchtling und sein siebenjähriger Sohn, werden mit den anderen Frauen und Männern in ein Lager gebracht. Dort stellen die Behörden fest, woher sie kommen, und schieben sie gegebenenfalls wieder in ihre Heimatländer ab. Dass er als Senegalese keine Chance hat, einen Asylantrag in Spanien zu stellen, weiß Zola. Daher gibt er vor, aus dem Kongo zu stammen. Er scheitert bei seiner Befragung aber an dem Polizisten José, der ihn der Lüge bezichtigt. Zola trickst einen weiteren Bewacher aus und ergreift mit seinem Sohn die Flucht.
Die Kanarischen Inseln, einige Hundert Kilometer von der Küste Nordwestafrikas entfernt, sind ein Ferienparadies. Auf den Inseln baden aber nicht nur sonnenhungrige Urlauber. Direkt neben ihnen stranden auch die Boote mit Flüchtlingen. 5 443 »irreguläre Einreisen auf dem Seeweg« verzeichnete das UNFlüchtlingskommissariat (UNHCR) vergangenes Jahr für das spanische Festland und seine Inseln. Pro Asyl führt die abnehmende Zahl der Bootsflüchtlinge nach Spanien auf die »flüchtlingsfeindliche Abschottungspolitik Europas« zurück – 2006 gelangten rund 32000 Menschen auf diesem Wege nach Spanien, seither gehen die Zahlen kontinuierlich zurück, was die Regierung als Erfolg verbucht. Nach weiteren Schätzungen des UNHCR starben 2011 insgesamt mehr als 1 500 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer.
Vor diesem anonymen Panorama bringt »Die Farbe des Ozeans« die politische Dimension der Migration im Zusammenspiel der Hauptfiguren auf eine individuelle Ebene: hinschauen, anhalten, helfen – in jedem Ausschnitt, den die affektive Kamera nah heranholt, schwingt dieser Appell mit. Allzu glatt verfahren Drehbuch und Regie – beides von der in Heidelberg geborenen Maggie Peren – dann glücklicherweise nicht: Bis auf Nathalie, von der Schauspielerin Sabine Timoteo minimalistisch und warmherzig ausbalanciert, die mit naiver Redlichkeit an ihren guten Absichten festhält und Katalysator für eine dramatische Wende wird, sind die anderen Charaktere zwiespältiger, nicht zwingend sympathisch angelegt. Der junge Beamte José, der sich das Elend der Immigranten ebenso wie das seiner Schwester vom Leib halten will, reagiert erst mal auf keinen Hilferuf; der Flüchtling Zola lügt um seiner selbst und seines Sohnes willens; Nathalies Freund Paul, der mit ihr Silvester feiern will, erweist sich als pragmatischer Mitteleuropäer, der im Restaurant das kalkulierte Bonmot zum Besten geben darf, er lasse sich keinen toten Fisch mit Augen servieren, denn dieser solle ihn nicht ansehen. Das ist zwar deutlich zu viel Küchenpsychologie in einem Film über Flüchtlinge, der nichts unausgesprochen lassen kann, aber an einigen Stellen weicht er von Schema F ab und lässt Spielraum für Unberechenbarkeit.
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