Kritik zu Der Seidenfächer
Zwei Frauenfreundschaften in China, mal modern, mal historisch: Wayne Wang hat einen Roman der chinesisch-amerikanischen Autorin Lisa See verfilmt
In der chinesischen Provinz Hunan gibt es die jahrhundertealte Tradition der arrangierten Frauenfreundschaft. Unter Zuhilfenahme astrologischer Expertisen suchen die Eltern für ihre Töchter eine beste Freundin aus. Schon in jungen Jahren schließen die Wahlschwestern einen Bund fürs Leben, der auch neben Ehe und Familie Bestand hat. Eine solche »laotong « stellte die chinesisch-amerikanische Autorin Lisa See ins Zentrum ihres Romanes »Der Seidenfächer« (2005), den Wayne Wang nun für die Leinwand adaptiert hat. War Sees Geschichte ausschließlich im China des 19. Jahrhunderts angesiedelt, ziehen Wang und seine drei Drehbuchautoren eine zweite, gegenwärtige Zeitebene ein.
Der Film beginnt im heutigen Shanghai, wo Nina (Bingbing Li) gerade dabei ist, ihr Karriereleben nach New York zu verlagern, als sie die Nachricht erhält, dass ihre langjährige Freundin Sophia (Gianna Jun) nach einem Verkehrsunfall im Koma liegt. Nina entscheidet sich, vorerst in China zu bleiben, und in Rückblenden wird die Geschichte der Freundschaft der beiden Frauen rekonstruiert, die sich seit ihrer Kindheit kennen und als Erwachsene nach einigen Konflikten in verschiedene Richtungen gedriftet sind. In Sophias Apartment findet Nina ein Manuskript, in dem es um eine »laotong« zwischen der Tochter aus reichem Hause, Snow Flower, und der aus ärmlicheren Verhältnissen stammenden Lily im China des 19. Jahrhunderts geht. In einer gemessenen Pendeldramaturgie schwingt die Erzählung fortan zwischen den beiden Zeitebenen hin und her, wobei die Protagonistinnen in beiden Handlungssträngen von denselben Darstellerinnen gespielt werden. Wenn Snow Flower und Lily als Kinder der schmerzhaften Prozedur des Füßebindens unterzogen werden, schlüpft im nächsten Bild auf der Gegenwartsebene Nina aus ihren unbequemen Stöckelschuhen. Sind die Freundinnen im 19.Jahrhundert in der Lieblosigkeit ihrer arrangierten Ehen gefangen, erscheinen Nina und Sophia eher als Opfer des unfokussierten, stressgetriebenen Lebens in der modernen Gesellschaft. Immer wieder bleiben die beiden in der eigenen Sprachlosigkeit stecken, während die Beziehung für die Wahlschwestern in der Vergangenheit über alle Schicksalsschläge hinweg zu einem festen Anker und damit auch zur Spiegelung der unausgesprochenen Sehnsüchte der Gegenwartsfreundinnen wird.
Die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe geraten auf beiden Erzählebenen in Bewegung, ohne dass der Film jedoch den Mut zur lesbischen Lovestory findet. Auf die Gesamtlänge von 103 Minuten wirkt die Modernisierung der literarischen Vorlage durch die Parallelisierung einer Gegenwartsgeschichte jedoch deutlich überanstrengt und führt dazu, dass sich weder die beiden Frauenfreundschaften noch ihr jeweiliger zeithistorischer Kontext adäquat auf der Leinwand entfalten können. Die Entwicklung der Figuren bleibt schon früh in behaupteten Gefühlen stecken und die melodramatischen Möglichkeiten der Geschichte von zwei mal zwei Liebenden, die nie wirklich zueinanderfinden können, werden in kunsthandwerklicher Ambitioniertheit erstickt.
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