Kritik zu Four Lions
Der Brite Christopher Morris erzählt den Terrorismus als schwarzhumorige Farce. In den Hauptrollen: eine Gruppe dilettantischer Dschihadisten auf dem pannenreichen Weg ins Paradies
Terroristen sind auch nur Menschen. So passiert es schon mal, dass sie eine Panzerfaust falsch herum halten und das eigene Trainingscamp zerstören, oder dass statt der Ungläubigen unschuldige Schafe das Zeitliche segnen. Ja, manchmal möchten sie an ihrer eigenen Unfähigkeit verzweifeln, doch das schmälert nicht die Überzeugung, an ihrem Wesen müsse die Welt genesen. Und für manche Unbill bieten ja immer noch Verschwörungstheorien die schlagende Erklärung, zum Beispiel für Autopannen: Die Juden haben die Zündkerzen so konstruiert, dass sie mit ihnen den Verkehr kontrollieren können.
Nichts ist zu abwegig in der wunderlichen Welt der Extremisten, zumindest wie Christopher Morris sie sieht. Four Lions ist sein Kinodebüt, aber im britischen Fernsehen ist er seit vielen Jahren als Experte fürs Satirisch-Groteske bekannt, als Darsteller und Macher von Serien wie »Jam« und »The Day Today«. Seine grelle Geschichte erzählt von vier jungen Männern, die als Selbstmordattentäter den Dschihad in die englischen Städte tragen wollen und deren mächtigster Feind ihre eigene Ungeschicklichkeit ist. Denn die Behörden sind auch nicht klüger.
Mit Bildern eines Bekennervideos beginnt der Film, um dann sofort zu Problemen der Inszenierung eines solchen überzuleiten: Der Kamera-Akku lässt nach, die Sitzhaltung des Darstellers sieht doof aus, seine Kalaschnikow ist viel zu klein – Kinderspielzeug. Mit dokumentarischem Gestus geht es weiter, in ein pakistanisches Trainingslager, in fruchtlose Diskussionen über Anschlagsziele, durchs Fegefeuer der Eitelkeiten, Rivalitäten und Fehlschläge. Bis die Selbstmordattentäter am Ende in idiotischen Kostümen den London-Marathon zu einem Blutbad machen wollen. Nicht jeder wird das zum Lachen finden – man sollte hanebüchene Wendungen und britischen Humor der dunkleren Sorte mögen.
Four Lions, in seiner explosiven Zentrifugalkraft deutlich von Monty Python inspiriert, ist eine an der Oberfläche teilweise alberne, in seiner Grundierung aber höchst intelligente Satire auf die geistigen Wirrnisse des Extremismus. Aber, um hier einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Eine Islamsatire ist dieser Film nicht. Er karikiert nicht den Glauben, sondern Fanatismus, wie er eben nicht nur im Islam vorkommt. Und brisant ist er vor allem deshalb, weil er mit unserer Angst spielt. Der Vorstoß eines CSU-Bundestagsabgeordneten, der den Film in Deutschland lieber nicht zeigen lassen wollte, weil er »Öl ins Feuer gießen« könne, zielt da ziemlich daneben.
Dass es Morris, der drei Jahre für sein Werk recherchiert hat, nicht um Diskreditierung des Islam geht, zeigt sich schon daran, dass er manches Klischee aufbricht. Die Terroristen seines Films sind westlich geprägte – und durch Computerspiele und Castingshows verdorbene? – junge Männer, die nicht wissen, wohin mit sich und ihrem Zorn. Der Möchtegern-Märtyrer Omar, Anführer der kleinen Terrorzelle, lebt mit Frau und Sohn scheinbar perfekt integriert in einem Vororthäuschen und arbeitet als Sicherheitsbeamter bei der U-Bahn, während sein strenggläubiger, sehr traditionell lebender Bruder mit Gewalt rein gar nichts am Hut hat. Doch von der Polizei wird selbstverständlich letzterer verdächtigt. Der größte Wirrkopf der Terrortruppe ist der waschechte Brite Barry, ein fanatisierter Konvertit, der früher schon mal bei der National Front mitgemischt hat. Wer mit aller Gewalt seiner Bedeutungslosigkeit entrinnen will, für den ist die ideologische Begründung gerne mal zweitrangig.
»Als du dich noch in die Luft jagen wolltest, warst du viel besser drauf«, muss Omar sich einmal von seiner Frau anhören. Ja, so irregeleitet diese Gotteskrieger sind, so dämlich auch ihre Aktionen: Christopher Morris und seine Darsteller schaffen es, sie menschlich, bisweilen sogar liebevoll darzustellen. Es sind eigentlich traurige Gestalten. Dass sie ihren jugendlichen Furor in menschenverachtende Bahnen lenken, ist eine Tragödie; das verdeckt auch der streckenweise überbetonte Slapstick nicht. Doch Morris ist nicht Andres Veiel, und sein Film keine terroristische Ursachenforschung. Die Satire sucht nach der Farce im Schrecken. Und Four Lions findet sie ganz mühelos auf Schritt und Tritt, weil er sich auf die Menschen konzentriert.
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