Kritik zu Total Recall
Len Wisemans Remake von Paul Verhoevens Sci-Fi-Klassiker bietet Tempo, Action und Design, lässt aber die Vielschichtigkeit und den Humor des Originals vermissen
In einem der wenigen kontemplativen Momente sitzt Quaid, der eigentlich Hauser heißt, am Klavier und grübelt. Zufällig stellt er fest, dass er das Instrument spielen kann, und darüber entdeckt er den Schlüssel zu seiner Vergangenheit: eine Klaviertaste, die ein Hologramm mit einer Nachricht startet. So kommt es zum Tête-à-Tête zwischen alter und neuer Identität, zwischen dem legendären Doppelagenten und seinem erinnerungslosen Nachfolger, der bislang die Bruchstücke seiner Biografie aufgesammelt hat wie Teile eines Puzzles. Nun erhält er die notwendigen Informationen, um sich selbst zu finden – und dabei gleich noch die Welt zu retten.
Einerseits variiert und modernisiert Regisseur Len Wiseman hier eine Szene aus Paul Verhoevens Total Recall aus dem Jahr 1990. Damals wies Arnold Schwarzenegger sich selbst per Videobotschaft den Weg zum Mars; diesmal schickt Colin Farrell sein Alter Ego ans andere Ende der Erde, wo er mit seinem Geheimdienstwissen dem Widerstand auf die Sprünge helfen soll. Andererseits ist das eine der vielen Blade Runner-Reminiszenzen, die sich hier nicht bloß auf das futuristische Design beschränken, sondern auch auf den Replikantenjäger Deckard verweisen. Bei Ridley Scott sinnierte Harrison Ford damals ebenfalls am Klavier über gefälschte Erinnerungen, und wie Quaid/Hauser konnte er sich nie sicher sein, wer (oder was) er tatsächlich war.
Die Parallele kommt nicht von ungefähr, schließlich basiert Blade Runner ebenso wie Total Recall auf einer Story von Philip K. Dick. Dessen abgründige Schwärze ist auch in Wisemans Remake immer dann zu spüren, wenn es nah an Verhoevens Original bleibt.
Wo es eigene Wege geht, bleiben aber der psychologische Aspekt, der sarkastische Witz und das vielschichtige Spiel mit Traum und Wirklichkeit weitgehend auf der Strecke.
Sobald Quaid von seiner früheren Identität als ehemaliger Topspion erfährt, hetzt er wie ein klassischer Thrillerheld, der sich plötzlich zu Unrecht verfolgt sieht, durch die Welt des Jahres 2084. Heerscharen von Polizeirobotern halten in den letzten nach dem dritten Weltkrieg noch bewohnbaren Regionen die Ordnung aufrecht: Großbritannien und Australien, die – eine kühne Idee, die erstaunlicherweise funktioniert – per Fahrstuhl durch den Erdkern miteinander verbunden sind.
In visueller Hinsicht ist das durchaus ein Fest; Wiseman entwirft einen vielschichtigen Kosmos, der sich auf immer neue Ebenen und Etagen erstreckt. Die rasanten Verfolgungsjagden erinnern allerdings eher an die seelenlose Action von Wisemans Underworld-Filmen: handwerklich spektakulär, aber überlang und furchtbar repetitiv. Farrell kann zwar für sich reklamieren, ein besserer Schauspieler als Arnold Schwarzenegger zu sein, trotzdem gelingt es ihm nicht, ein Gefühl für die ungeheure Erschütterung, die der Identitätsverlust mit sich bringt, zu vermitteln. Darin war der »Terminator«, vielleicht gerade wegen seiner Ungeschlachtheit, überzeugender
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