Interview mit Joanna Hogg über ihren Film »Exhibition«
»Regisseurin Joanna Hogg«
Mir ist der Moment wichtig - Joanna Hogg über ihren Film »Exhibition«
Die beiden Hauptdarsteller Ihres Films konnten Sie erst kurz vor Drehbeginn verpflichten, den dritten Hauptdarsteller, das Haus, in dem sich der überwiegende Teil des Films abspielt, dagegen kannten Sie schon sehr lange.
Ich kannte das Haus in den frühen Neunzigern, als sein Design noch so war wie 1969, als der Architekt James Melvin es für sich und seine Frau erbaute. Er sammelte Kunst, entsprechend gefüllt war das Haus, es hatte viel Leben in sich. Nach 25 Jahren zog dann das Ehepaar Melvin aus, er war damals schon in den Achtzigern und hatte Probleme mit der Wendeltreppe. Im Auftrag der neuen Eigentümer machte sich 1994 das Architekturbüro Sauerbruch Hutton an ein Neudesign des Hauses, allerdings eher behutsam, die Essenz blieb gleich.
Ihre Beziehung zu dem Haus endete damals?
Ja, sie wurde erst dann neu hergestellt, als wir den Film drehten. Das war gar nicht so einfach, die Bewohner zu überreden, für eine Zeitlang auszuziehen, das war gewissermaßen eine Invasion. Aber dieses Haus zu benutzen war mir sehr wichtig. Ich überlegte mir schon, ob ich den Film überhaupt machen wolle, wenn ich ihn nicht in diesem Haus machen könnte. Tatsächlich gingen die Besitzer dann aber für zwei Monate weg. Danach war es eine Herausforderung, dort zu arbeiten; das ganze Equipment die Treppe hinauf- und herab zutragen, ermüdete die Crew doch ziemlich.
Wie viel Zeit hatten Sie selber, um das Haus vor Drehbeginn neu kennen zu lernen?
Der Production Designer und ich haben lange darüber gesprochen, ob wir im Haus Änderungen vornehmen wollten – am Ende erkannten wir, dass es interessanter sein würde, nichts zu verändern. Als einzige Veränderung haben wir einen falschen hölzernen Flur über den eigentlichen gelegt, weil alle in Stiefeln darauf herumtrampelten. Das war übrigens bei meinen ersten beiden Filmen genau so.
Für mich wirkte das Haus beim ersten Sehen des Films ziemlich bedrückend, auch, dass D.s Schreibtisch direkt an einer Wand steht – sie hätte ja auch den Blick durch die großen Fenster nach draußen haben können. Hatten Sie je dasselbe Gefühl?
Das, was Sie gerade beschrieben haben, entstand durch den Umbau in den neunziger Jahren. Da, wo D. jetzt ihren Arbeitsplatz hat, befand sich ursprünglich das Esszimmer. Die pinkfarbenen Türen, die diesen Raum vom Essplatz trennen, wurden damals erst eingefügt. Sie gefallen mir, weil sie wie ein Theatervorhang funktionieren, was auch dazu passte, dass D. eine Performancekünstlerin ist. Das Bedrückende, das Sie erwähnen, ist definitiv da, aber ich sah beide Seiten, ein Gefängnis, aber auch einen Himmel.
Eine Festung! - Habe ich überhört, dass sie eine Performancekünstlerin ist? Ich habe mich gefragt, ob das, was sie mit ihrem Körper anstellt, schon ihre Kunst selber ist oder aber eine Vorstudie dafür.
Es wird nicht ausgesprochen. Sie versucht ja noch herauszufinden, wer sie ist, sie erschafft sich Möglichkeiten. Am Anfang sehen wir sie zeichnen. Ich hatte aber immer den Performance-Aspekt im Kopf, als ich diese Figur erschuf. Zumal man Malerei nicht immer so überzeugend im Film darstellen kann. Es gibt da einen Zwischenraum zwischen ihrer Kunst und der Beziehung zu ihrem Mann. da sehe ich durchaus die Parallele bei mir selber als Filmemacherin, weil ich so viel aus dem Leben für mich herausnehme. Es gibt keine klare Trennung zwischen Arbeit und Leben, aber genau das ist auch das Rohmaterial, mit dem ich arbeite.
Spielte bei der Entscheidung für Performancekunst auch die Darstellerin eine Rolle? Bei ihren Bühnenauftritten als Musikerin arbeitete sie ja ebenfalls mit ihrem Körper – das allerdings eher expressiv, während sie hier jemand ist, der seinen Körper gerade erst entdeckt. Das dürfte zumindest für Viv Albertine spannend gewesen sein.
Das stimmt, allerdings hatte ich diese Figur ja schon als Performancekünstlerin konzipiert, bevor ich die Rolle mit Viv besetzte. Obwohl ich sie schon lange kannte, dauerte es, bis ich sie besetzte. Dann aber war sie absolut perfekt. Casting hat manchmal etwas Magisches, man geht auf eine Reise, trifft Leute, es klappt nicht, man geht weiter und am Ende hat man dann doch die richtige Person gefunden.
Erwähnt sie den Film in Ihrer Autobiografie, die vor einigen Monaten erschienen ist?
Ja, das tut sie (lacht). Ich werde daraus nicht zitieren, aber sie ist sehr ehrlich in dem Buch.
Aber das hat die Freundschaft zwischen Ihnen beiden nicht beendet?
Nein, aber ich denke, es hat sich etwas verändert. Es war einfach eine intensive Erfahrung – zwischen zwei langjährigen Freundinnen.
Ich habe erst aus dem Filmgespräch vorgestern von Ihrer ungewöhnlichen Arbeitsmethode erfahren, also etwa den Darstellern kein Drehbuch zu geben, sondern ihnen zu erzählen, worum es in der jeweiligen Szene geht. Hat sich das entwickelt als Reaktion auf Ihre Tätigkeit beim Fernsehen, wo Sie 15 Jahre lang als Regisseurin für Serien tätig waren?
Ich hatte schon vorher darüber nachgedacht. Als ich an der Filmschule studierte, machte ich kleine persönliche Filme, dann verlor ich mich in der Welt des Fernsehens, wo ich zwar gelegentlich eine Idee für einen Film hatte, aber stets schon der nächste Job wartete, was mir immerhin ein gutes und regelmäßiges Einkommen sicherte. Aber richtig entwickelte sich das erst nach dem Ende der Fernseharbeit, in der Tat aus den Frustrationen, die ich während dieser Zeit verspürt hatte, dass ich keine Kontrolle hatte über die Besetzung vor und hinter der Kamera. Während ich meinen ersten Film „Unrelated“ drehte, für den ich ein konventionelles Drehbuch geschrieben hatte, merkte ich, dass ich kein Interesse hatte, diesem Drehbuch zu folgen, dass ich viel mehr Energie aus der Arbeit mit den Schauspielern und meinem Team zog und gerne etwas erfand, während ich arbeitete. Bei »Archipelago« machte ich mir dann gar nicht erst die Mühe, acht Monate an einem Drehbuch zu arbeiten.
Da haben Sie dann schon so gearbeitet wie bei »Exhibition«, wo die Schauspieler kein Drehbuch bekamen?
Bei „Unrelated“ hatte ich ihnen das Drehbuch schon gegeben, weil ich erst im Verlaufe des Drehs feststellte, dass mir das nicht behagte. Dann aber hielt ich die Darsteller stets auf dem Laufenden darüber, was ich mir ausgedacht hatte. »Archipelago« erzählt von einer dreiköpfigen Familie, zu denen einige Außenseiter, ein Koch und ein Maler, stoßen. Ich beschloss, die Familienmitglieder sollten das Buch kennen, denn das war eine Familie, die eine gemeinsame Vergangenheit hatte – die anderen beiden nicht, das schuf eine interessante Dynamik. Die drei Familienmitglieder wurden auch von professionellen Schauspielern verkörpert, die anderen zwei nicht. Auch das trug zur Dynamik bei; Nichtprofessionellen ein Drehbuch zu geben, schien mir gar nicht sinnvoll.
Waren diese beiden Filme viel teurer – wegen der entfernten Drehorte?
Nein, tatsächlich war »Exhibition« der teuerste, durch die BBC kamen Sachen hinzu, die es vorher nicht gab, etwa Anwaltshonorare. »Unrelated« drehten wir in Italien und alle flogen mit Ryan Air. In den Räumen, wo der Film spielte, waren wir auch untergebracht.
Bedeutet diese Arbeitsweise, dass Sie relativ viel Material verdrehen und erst im Schneideraum entscheiden, was Sie verwenden?
Es gab Szenen, die man nur einmal drehen konnte. Die zentrale Szene in »Unrelated« benötigte nur einen Take, weil man sie nicht wiederholen konnte. Vieles andere entscheide ich tatsächlich erst im Schneideraum. Das Kürzen und Verdichten ist für mich ein wichtiger Teil der Arbeit.
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass die beiden Künstler, die die Hauptrollen in »Exhibition« verkörperten, ganz andere Forderungen an Sie als Regisseurin hatten als die professionellen Schauspieler in den früheren Filmen?
Diese beiden Künstler erweisen sich als gute Performer, sind insofern vielleicht nicht ganz typische Künstler. Jedenfalls stellten sie viel weniger Fragen als Schauspieler, die oft wissen wollen, wohin sich eine Geschichte entwickelt. Das ist mir nicht so wichtig, mir geht es mehr um den Moment. Auf der anderen Seite muss man als Regisseur die Nichtprofessionellen mehr beschützen als die Schauspieler.
Im Nachspann von »Exhibition« sprechen Sie Martin Scorsese einen besonderen Dank aus. Sie erwähnten, dass Sie ihm den Film gezeigt haben und er einige Ratschläge gab. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Das war sehr spät im Herstellungsprozess, so war er sehr bedacht darauf, nichts in Gang zu setzen, was alles geändert hätte – er hat eher Fragen gestellt als Vorschläge gemacht und mich zum Nachdenken über bestimmte Sachen angeregt, etwa das Sounddesign. Ich habe ihn selber nur zweimal getroffen, er hatte »Archipelago« gesehen, er gefiel ihm, er unterstützt ja gerne jüngere Filmemacher und hat Interesse an ungewöhnlicheren Filmen.
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