Kritik zu Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

© Camino

2012
Original-Titel: 
Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
Filmstart in Deutschland: 
27.09.2012
L: 
95 Min
FSK: 
6

Es läuft die Zeit, wir laufen mit: Florian Opitz geht in seinem Dokumentarfilm der modischen Frage nach unser aller Zeitnot nach

Bewertung: 1
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Die beschleunigte Gesellschaft ist eines der zentralen Themen des medialisierten und globalisierten Zeitalters. Auch im praktischen Leben schrumpft die wahrgenommene Zeit, so dass Ratgeberliteratur zum Thema (»Die Bären-Strategie«) blüht. Dort beginnt auch dieser Film. Regisseur Florian Opitz (Der grosse Ausverkauf) nämlich war gerade erstmals Vater geworden, als sein eigener starb: Ereignisse, die die Auseinandersetzung mit dem begrenzten menschlichen Zeitbudget befördern. Um herauszufinden, was da los ist, geht der in seinem Film auch als Icherzähler höchst präsente Filmemacher auf Recherchereise. Dabei setzt er mit seinen Fragen aber erst einmal – vermutlich in rhetorischer Absicht – bei sich selbst an, bevor er nach Zeitmanagementseminar und Therapeutenbesuch zu der nicht wirklich überraschenden Zwischenerkenntnis kommt, dass das vermeintlich persönliche Zeitproblem seine Ursachen im Getriebe der wettbewerbsorientierten Gesellschaft hat.

Der Lernprozess schleppt sich. Leider stellt sich der Filmemacher auch sonst so dumm, dass erst nach einer Dreiviertelstunde der Erkenntnisstand eines durchschnittlich vorgebildeten Zeitungslesers erreicht wird. Da geht es anlässlich eines Besuchs bei Reuters um neue digitalisierte Finanznachrichtensysteme, die die Entscheidungsprozesse für Broker und Banker um entscheidende Mikrosekunden beschleunigen. Doch bevor es endlich mal ins Detail geht, ist der Film schon völlig abgedriftet ins reichlich abgegraste Feld scheinbarer Alternativen auf der Alm und im patagonischen Ökowunderland von Exmodeunternehmer Doug Tompkins. Und auch das Königreich Bhutan mit seinem »Bruttonationalglück« muss mal wieder als Fluchtpunkt herhalten. Exotistische, in einer überbevölkerten Welt offensichtlich unrealistische Alternativen,bei denen sich der Film unerklärlich lange aufhält. Die eigentliche Frage, durch was und wie sich denn in den kapitalistischen Industriestaaten mehr Entschleunigung realisieren ließe, wird dafür in ein paar knappen Ausführungen zum Stichwort »bedingungsloses Grundeinkommen« abgehandelt. Dazu das billige Plädoyer: »Wir müssten nur endlich unsere Fantasielosigkeit überwinden, uns für echte Alternativen einsetzen«. Aber kein Wort zu den vielen Ansätzen und Versuchen alternativer Lebensmodelle der letzten Jahrhunderte, den Gründen für Erfolge und Scheitern. Dafür sehen wir den Filmemacher mit Frau und Kind am Buddelkasten sitzen.

Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist die Art von Dokumentarfilm, wie ihn Fernsehredakteure, Filmförderung und Produzenten derzeit lieben: mit populärem, pointiert personalisiertem Ansatz, einem launig durch die Geschichte führenden Erzähler, Worthäppchen sogenannter Experten und durch Animationen und zeitgeraffte Megacity-Panoramen à la Koyaanisqatsi aufgepeppten mvisuellen Zwischenspielen. Dazu kommt eine Dudelei, die selbst das Glockenläuten der Almkühe noch synthetisch zuklimpert. Offensichtlich meint man es mit der Entschleunigung nicht mal so ernst, dass man sie wenigstens in der Filmästhetik praktisch umzusetzen begänne.

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