Frank Arnold im Interview mit Terry Gilliam

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Terry Gilliam über »The Zero Theorem«, die Monty Python-Reunion und seine kommende Autobiografie

Mr. Gilliam, über die Schwierigkeiten beim Dreh und bei der Herausbringung Ihres Films »Brazil« wurde ein ganzes Buch geschrieben. Dieses Mal dagegen lief es ohne  jegliche Komplikationen ab?

Gilliam (lacht): Ja, diesmal war es ganz leicht. Nachdem wir beschlossen hatten, ihn zu machen, lief alles wie am Schnürchen. Christoph Waltz konnten wir Mitte Juli für die Hauptrolle gewinnen und im Oktober drehten wir dann.

Hätte der Film anders ausgesehen, wenn Sie ihn vor fünf Jahren gedreht hätten, als Sie das Drehbuch bekamen?

Bestimmt. Das Drehbuch war dasselbe, aber Billy Bob Thornton hätte die Hauptrolle sicherlich anders verkörpert als Christoph Waltz. Der große Unterschied wäre aber gewesen, dass das Budget seinerzeit mit 20 Millionen Dollar veranschlagt war – jetzt haben wir den Film für eine halbe Million gedreht [Anm. d. Red.: Hier scheint uns ein Übersetzungsfehler unterlaufen zu sein, die Produktionskosten des Filmes belaufen sich auf 10 Millionen Dollar). Da plant man einfach anders: in gewisser Weise befreit einen das, nimmt einem Verantwortung von den Schultern. Je mehr Geld man hat, desto größer die Verantwortung. Hätten wir mehr Geld gehabt, wäre ich sicherlich dem Druck ausgesetzt gewesen, das Happy End drin zu lassen, jetzt konnte ich es entfernen, weil es mir unsinnig vorkam. Wir haben es zwar gedreht, aber selbst der Autor war glücklich, dass ich es herausgeschnitten hatte.

In »The Zero Theorem« geht es auch um virtuelle Welten. Wie sehr sind Sie selber damit verlinkt? Ich habe gelesen, Sie posten viel auf Facebook.

Ja, da halte ich die Leute auf dem Laufenden darüber, was ich mache. Manchmal wache ich morgens auf mit einer albernen Idee und notiere sie auf Facebook, twittern tue ich nicht. Ich habe schon den Eindruck, dass mein Computer und das Internet mich mehr dominieren als ich es eigentlich möchte. Es gibt so viele Dinge zu erkunden. Ich ertappe mich es öfteren dabei, dass ich einen halben Tag lang nur im Internet surfe. Heute Nachmittag bin ich gerade aus Italien zurückgekommen, wo ich ein Haus besitze, das weder Telefon noch Internetanschluss hat – es war schön, dieser Welt der permanenten Verbindungen für einen Moment entkommen zu sein.

Es gibt in dem Film wieder jene Mange bizarrer Einfälle, wie wir sie erwarten bei einem Terry-Gilliam-Film. Fügen Sie die hinzu, wenn Sie die Regiefassung des Drehbuches erstellen oder erst im Gespräch mit den jeweiligen Darstellern?

Bevor ich nicht weiß, wer die Rolle verkörpert, entwickle ich keine Pläne. Von Tilda Swintons Figur etwa hatte ich eine Zeichnung gemacht, in der sie einen rechteckigen Hut trägt. Als ich sie traf, meinte sie, als Therapeutin wolle sie ihren Patienten das Gefühl geben, dass sie sich wohlfühlen - und da Qohen kahlköpfig ist, wollte sie selber auch kahlköpfig sein. Der Kompromiss war dann, dass ich ihr eine seltsame Perücke verpasste, die sie im Verlauf der Geschichte absetzt.

Bei diesem Film wurden Sie stark von einem deutschen Maler beeinflusst, haben Sie geäußert…

Ja, Neo Rauch. Wir haben nichts kopiert, es war eher die Art, wie er arbeitet, das Collagenhafte, wie er Stile und Techniken mischt, die Farben, die er auswählt, die Tableaus, die er erschafft.

2014 war ein arbeitsreiches Jahr für Sie: Sie haben zum zweiten Mal eine Oper inszeniert und es gab die Monty Python Reunion. War letztere so etwas wie eine Zeitreise?

Ja, für einen Moment waren wir wieder jung. Wir waren noch nie zuvor vor einem derart großen Publikum aufgetreten. Die Show war wirklich spektakulär und das Publikum enthusiastisch. Als wir schon einige Shows gespielt hatten, wurde das ansteckend, die Shows wurden immer besser, weil wir selber so viel Spaß dabei hatten. Und plötzlich war es zu Ende. Dann musste ich erstmal weg davon und reiste mit meiner Frau nach Italien. Und nach einigen Wochen kam es mir vor, als sei das nie geschehen, ich hatte keine Erinnerung daran, es war so ungewöhnlich und hatte nichts mit meinem heutigen Leben zu tun. Aber wenn demnächst die DVD herauskommt, gibt es einen Beweis dafür, dass es wirklich passiert ist

Wie lange hatten Sie Zeit zur Vorbereitung?

Nur eine Woche – aber das ganze Material ist heute Teil unserer Gene. Vor der ersten Show waren wir allerdings ziemlich nervös, ob das funktionieren würde. Hinterher gingen wir gleich auseinander, aber wir werden uns im Dezember treffen und darüber reden, ob wir es noch einmal machen wollen, derzeit gibt es noch keine Pläne. Die erste Oper, die ich inszeniert habe, »The Damnation of Faust«, wird wahrscheinlich 2017 in Berlin zu sehen sein.

Im nächsten Jahr soll Ihre Autobiografie erscheinen…

Ja, wahrscheinlich Mitte des Jahres. Ich warne immer schon alle: es ist mein Leben im Schnelldurchlauf, nicht die Art von Autobiografie, wo ich über alle meine Freunde im Detail schreibe. Ursprünglich wollte meine Tochter einen großen Band mit Skizzen veröffentlichen. Wir haben dann über Kunst gesprochen, und das wurde mitgeschrieben. Schließlich haben wir über mehr und mehr Dinge gesprochen, am Ende hatten wir etwas, was so etwas ist wie eine oral biography.

Wir werden also auch Ihre Zeichnungen und Entwürfe darin sehen?

Ja, und vielleicht wird es im nächsten Jahr auch noch eine Ausstellung geben. Ich werde schließlich 75, da liegt es auf der Hand, dass viele meinen, jetzt können wir davon profitieren, nicht erst wenn ich tot bin. (lacht)

Und Sie werden zudem endlich Ihren »Don Quichotte«-Film drehen!

Ja, das bin ich mir schuldig. John Hurt wird Quichotte spielen und Jack O’Connell die Rolle, die ursprünglich Johnny Depp spielen sollte.

Können Sie irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um überfliegende Militärflugzeuge und schlechtes Wetter zu vermeiden, die beim ersten Mal den Dreh nachhaltig störten?

Ja, wir werden mehr Zeit auf den Kanarischen Inseln verbringen (lacht) – nein, wir sind wieder in Spanien, aber ich kenne ja alle Orte, wo ich nicht drehen sollte.

Stehen Sie noch in Kontakt mit den Hollywood-Studios? Wurde je versucht, »The Zero Theorem« mit Geld von dort zu machen?

Ich habe meine meisten Verbindungen mit L.A. abgebrochen, habe nicht einmal mehr einen Agenten dort. Einen Film wie »The Zero Theorem« würden die Studios nie machen, aber für mich ist ein Film mit kleinem Budget und entsprechenden Freiheiten heute interessanter.

Viele Regisseure scheinen in Ihren späteren Jahren kleinen Filmen den Vorzug zu geben: Ken Russells »The Fall of the House of Usher« hatte ja sogar etwas von einem home movie.

Ja, man wird einfach müde, mit bestimmten Leuten in Hollywood zu verhandeln, das kostet soviel Zeit und Energie. Hollywood besteht aus corporate people, keiner arbeitet von seinen Instinkten, von seinen Leidenschaften her. Sie setzen alle auf Nummer Sicher und wollen nicht verantwortlich sein für einen Film, der vielleicht kein Geld einspielt. Deswegen sehen wir denselben Film immer wieder. Mir reichte es immer, wenn ein Film genügend Geld einspielte, dass ich den nächsten machen konnte. Ich bitte auch nicht mehr darum, dass mir Drehbücher zugeschickt werden. Ich mache lieber keinen Film als mich mit dem Unsinn abzugeben, der da gemacht wird.

Sie sehen also heute nicht mehr viele Hollywood-Filme an?

Ich sehe überhaupt nicht mehr viele Filme an. Das Aufregendste, was ich in letzter Zeit gesehen habe, waren »Breaking Bad« und die skandinavischen Serien »The Bridge« und »The Killing«, also Fernsehserien.

Würden Sie so etwas inszenieren, auch wenn dabei der Showrunner, nicht der Regisseur das Sagen hat?

Richard LaGravenese, der "The Fisher King" geschrieben hat, und ich schrieben vor Jahren "The Defective Detective" und sprachen jetzt darüber, unser Drehbuch zu erweitern und daraus eine Miniserie zu machen. Der Erfinder von »Breaking Bad« ist Vince Gilligan, mein mittlerer Name ist Vance. Vance Gilliam und Vince Gilligan sind doch ziemlich nahe.

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