Kritik zu My Old Lady
Theaterautor Israel Horovitz verfilmt in seinem Spielfilmdebüt sein eigenes Bühnenstück, in dem Kevin Kline und Kristen Scott Thomas um ein Haus in Paris kämpfen
Es ist ein Gang wie in einen Traum, hinein in eine stille Seitenstraße im Pariser Marais, durch ein Tor, einen Innenhof, in einen Stilaltbau, eine zweistöckige Wohnetage mit »salon d’hiver«, Flügel und verwunschenem Garten; vom Plattenspieler plätschert leiser Jazz. Kurz: ein urbanes Paradies, das die meisten nur mit den Füßen voran verlassen würden. Tatsächlich wartet auf den amerikanischen Erben dieser Traumimmobilie eine Überraschung. Sie wird bewohnt von der greisen Mathilde und ihrer Tochter Chloé. Aufgrund einer französischen Besonderheit, der »rente viagère«, besitzt die alte Dame das lebenslange Wohnrecht und hat überdies Anspruch auf eine erkleckliche monatliche Rente. Und die 92-Jährige, die zu jedem Diner eine Flasche Burgunder entkorkt, macht nicht den Eindruck, als ob sie Mathias zuliebe bald sterben würde.
So ist der bankrotte Mathias, der das Haus schnellstmöglich verkaufen wollte, zwar potenzieller Millionär, im Hier und Jetzt aber Mathildes Schuldner. Irgendwas ist immer. Dass dieser Konflikt kein echter ist, wird schnell offensichtlich. Mathilde ist eine äußerst liebenswürdige Altlast, und Chloé, so merkt Mathias, der einzieht, nur auf den ersten Blick eine Kratzbürste.
Israel Horovitz, der in seinem Spielfilmdebüt sein eigenes Theaterstück verfilmte, inszeniert pointenreiche Dialoge, in denen sich in emotionalen Schleudergängen zwischen Sitcom-Witz und selbstmörderischer Verzweiflung die familiären Verschlingungen offenbaren. Zum roten Faden wird ein paradoxaler Generationenkonflikt, in dem die Kinder für die elterliche Libertinage büßen – oder vielmehr glauben, deshalb verflucht unglücklich sein zu müssen.Doch bis Mathilde endlich en détail ausgepackt hat und die Läuterung von Chloés und Mathias’ Qualen in Gang gesetzt wird, hat man die Chose längst erraten.
Zwar hält bis zum erwartbaren Happy End die passgenaue Besetzung die Aufmerksamkeit wach. Die 80-jährige Maggie Smith, in Downton Abbey eine unverwüstliche Konservative, gibt hier die unverwüstliche Lebenskünstlerin. Kristin Scott Thomas spielt einmal mehr eine sehenswert verhärmte Schöne; Kevin Kline glänzt einmal mehr im charmanten Zauselmodus. Wenn er sich vor seinem betrunken-selbstmitleidigen Monolog in die Brust wirft und quasi an die Rampe marschiert, wird die Bühnenherkunft allerdings überdeutlich.
Da der Grundkonflikt mit seinen unlogischen Einzelheiten den Film nicht trägt, kommen ebenfalls erwartbare Parisfüllsel zum Einsatz. Neben Seine-Impressionen sorgt u.a. Amelie-Star Dominique Pinon als skurriler Makler für Hingucker. Ingesamt regiert aber eine spannungslose Betulichkeit. Der einzige wirklich bedrohliche Aspekt dieser »Mama’s Baby, Papa’s Maybe«-Gemengelage wird so panisch abgehakt, dass man ihn fast überhört. Unabsichtlich gerät allmählich die Familientragikomödie zur Immobilienkomödie mit dem Apartment als heimlichem Hauptdarsteller, dem ein gewisser Hautgout anhaftet: Für diese Immobilie hätten alle Beteiligten eventuell eine Menge in Kauf genommen.
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