Kritik zu Puppe, Icke & der Dicke

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Und wieder mal: der Weg als Ziel, das Unterwegssein als eigentliches Ankommen im Leben. Felix Stienz konnte mit seinem Debütfilm den Publikumspreis des Max-Ophüls-Festivals in Saarbrücken erobern

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Er heißt Bomber. Wenn man ihn fragt, warum er so genannt wird, fuchtelt er mit den Händen herum und sagt: »Bomber halt.« Bomber (Tobi B.) ist zuerst einmal Berliner. Kein Zugezogener, wie er stolz betont, und keiner von diesen Spinnern, die sich die Wohnung von den Eltern finanzieren lassen und dann Halligalli machen. Bombers riesengroße Klappe steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seinem kleinwüchsigen Körper, den er mit kompaktem Selbstbewusstsein durch die Gegend trägt. Dass er nach nur fünf Monaten schon wieder seinen Job als Kurierfahrer verliert, scheint ihn nicht zu erschüttern. Denn Bomber hat einen Plan. Die letzte Warenlieferung will er nicht nach Warschau bringen, sondern in Paris auf eigene Rechnung verticken. Und so begibt sich Felix Stienz’ Roadmovie Puppe, Icke & der Dicke auf die Reise von der einen in die andere Hauptstadt, wo der dicke Bruno (Matthias Scheuring) am Kiosk wortlos seine Biere trinkt und die blinde Europe (Stephanie Capetanides) erfährt, dass sie schwanger ist. Der Kindsvater war nur zu Besuch und arbeitet als Müllkutscher in Berlin, wohin sich nun Europe aufmacht, um ihren Mathias zu finden. Eine geklaute Lieferung und einen verpassten Linienbus später kreuzen sich die Wege von Bomber, Bruno und Europe. Irgendwo kurz vor der französischen Grenze landen sie gemeinsam im Auto auf dem Weg nach Berlin, das für den einen graue Heimat und für die anderen ein unbekannter Sehnsuchtsort ist.

Wie sich das für ein Roadmovie gehört, ist auch in Felix Stienz’ Langfilmdebüt Puppe, Icke & der Dicke der Weg das eigentlich Ziel, wobei sich der Film der Läuterungs- und Erkenntnisdramaturgie des Genres weitgehend verweigert. Man merkt deutlich, dass hier die Figuren und nicht die Handlung der Ausgangspunkt des Projektes waren, wobei das schauspielerische Unikat Tobi B. ganz klar stilprägend für den skurrilen Grundton der Erzählung ist. An dem kleinen Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt und im zwischenmenschlichen Miteinander oftmals gründlich danebenlangt, kommt keiner vorbei. Den sanften, weiblichen Gegenpol bildet die Figur mit dem ebenfalls programmatischen Namen Europe, die zunächst wie eine Wiedergängerin von Audrey Tautous Amelie wirkt, sich aber in Krisensituationen als patente Pragmatikerin erweist. Als Puffer dazwischen dient der stumme Bruno, dem Matthias Scheuring kontrastierend zur ausladenden körperlichen Statur eine zärtliche Dünnhäutigkeit verleiht. Puppe, Icke & der Dicke verwebt seine Charaktere mit einer sanft grotesken Atmosphäre, in der Alleinunterhalter auf leer gefegten Parkplätzen Konzerte geben können, ohne dass es zu einem entscheidenden Stilbruch in der Erzählung kommt. Bei aller Sympathie für die Figurenentwürfe, den mäandernden Erzählfluss und das skurrile Setting fehlt es Puppe, Icke und der Dicke jedoch über die gesamte Strecke eines abendfüllenden Spielfilms entschieden an dramaturgischer Substanz. Die Charaktere hätten einen besseren Plot verdient, der weniger selbstzufrieden vor sich hindümpelt und über das bloße Losfahren, Unterwegssein und irgendwie Ankommen hinausgeht.

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