Kritik zu Die Katzen vom Gokogu-Schrein

© fugu Filmverleih

2024
Original-Titel: 
Gokogu no Neko
Filmstart in Deutschland: 
05.12.2024
L: 
119 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Dokumentarfilmer Kazuhiro Soda beschreibt nach »Inland Sea« erneut in einer Langzeitbeobachtung das Leben im südjapanischen Küstenort Ushimado, diesmal ausgehend von der Katzenpopulation eines Shinto-Schreins

Bewertung: 5
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Ungefähr in der Mitte dieses Dokumentarfilms spielt sich eine Szene ab, die Katzenkenner so ähnlich schon mal erlebt haben. Die prächtige rote Katze ­Chata-Kun spaziert einfach in das Haus des Filmemachers, der sie höflich anspricht, doch wieder loswerden will. Das Tier stolziert seelenruhig von Raum zu Raum, räkelt sich auf dem Boden und muss schließlich mit dem Kamerastativ verjagt werden. 

Katzen sind Nervensägen – und zugleich endlos faszinierende Geschöpfe. Das finden auch die Besucher des Städtchens Ushimado, von denen viele nur wegen der Katzen die steile Treppe zum Gokogu-Schrein hochsteigen. Der Shinto-Schrein hat durch die Katzen, die sich dort in großer Zahl – eine genaue Statistik gibt es nicht – herumtreiben, lokale Berühmtheit erlangt. Touristen füttern und kraulen die lädiert aussehenden Straßenkatzen. Angler am Ufer lassen sich von ihnen gutmütig einen Teil ihres Fangs stibitzen.

Auf der Spur der Katzen setzt sich in dieser einjährigen Langzeitbeobachtung allmählich das Porträt des Ortes und seiner tierischen und menschlichen Bewohner zusammen. Im Stil des Cinéma vérité schlägt Filmemacher Kazuhiro ausgehend vom Schrein und anfangs auf Augenhöhe der Katzen immer größere Kreise. Von den Tagestouristen, die das Füttern als therapeutisch empfinden, wandert der Kamerablick weiter zu den ehrenamtlichen Gärtnern des Schreins, durch die Straße, zu Schulkindern, die mittels Karten die Gegend erforschen lernen, bis hin zu einer Bürgerversammlung und einer religiösen Zeremonie. Der Filmemacher selbst gerät gelegentlich in Gestalt des flauschigen Mikrofonschutzes (auch »tote Katze« genannt) ins Bild. Katzen haschen danach, Menschen fragen, was es damit auf sich hat.

Die aufwendige Aktion von Freiwilligen, die alljährlich Streuner fangen und zur Sterilisation zu bringen, sorgt für eine erste Irritation. Die zweite besteht in den Aussagen der Gärtner, die diplomatisch ihre Meinung zu der Katzenbelagerung kundtun. So formt sich in einem vielstimmigen Chor zwischen Reden und Maunzen der Mikrokosmos eines Zusammenlebens, das nur funktioniert, weil beständig an der Balance unterschiedlicher Bedürfnisse gearbeitet wird, und das sich unmerklich metaphorisch auflädt.

Einheimische beklagen die Hinterlassenschaften der Tiere und versehen ihre Gärten mit Stahlkrallen. Dann wiederum bringen die Katzen gutes Geld. Kaum eine Einstellung ohne einen dekorativ durchs Bild spazierenden Minitiger: Das gefällt den Städtern mit ihren teuren Kameras. Überhaupt hat der im Süden Japans am Binnenmeer gelegene Küstenort eine überraschend mediterrane Anmutung. Nebenbei wird angesichts der fitten Senioren die Überalterung Japans sichtbar, aber auch die höchst zivilisierte Art, Konflikte einzuhegen. Auf Du und Du mit Katzen: Während sie die Tiere in Käfige locken, ergehen sich die Freiwilligen in Entschuldigungen. Und eine tote Katze bekommt ein würdiges Begräbnis. Trotz Versuchen, die Population einzudämmen, müssen sich Fans nicht sorgen. Zwischen Tier und Mensch steht es am Ende 1:0.

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