arte-Mediathek: »Das Echo«
Nach dem Spielfilm »Prayers for the Stolen« über drei Mädchen, die im ländlichen Mexiko ständiger Gefahr durch Drogenkartelle ausgesetzt sind, kehrt die preisgekrönte Dokumentarfilmerin Tatiana Huezo mit »Das Echo« zu ihrem früheren Genre zurück und widmet sich dem dörflichen Leben in El Eco, abgeschieden gelegen im Hochland des mexikanischen Bundesstaats Puebla.
Huezo hatte zunächst zeitweise mit den drei Familien gelebt, deren Alltag sie später mit der Kamera begleitete, wobei Huezos Augenmerk den Kindern und Jugendlichen galt. Gedreht wurde im Rahmen von elf rund vierzehntägigen Aufenthalten in einer Spanne von 18 Monaten. In den Händen Ernesto Pardos, der bereits Huezos vorherige Dokumentarfilme fotografierte, wurde die Kamera zum stillen Beobachter, fing die mal erhebende, mal bedrohliche Natur ein, den Kreislauf des Lebens, an dem die Kinder wie selbstverständlich teilhaben. Ein Schaf wird geschlachtet, ein Junge fragt, wie viel das Fleisch wohl einbringen wird. Bei der Geburt eines Lämmchen muss die Tochter mit anfassen. Das Leben hier kostet Kraft. Der Nachwuchs muss mitarbeiten, sogar in der Schule Verantwortung übernehmen und Jüngere unterrichten. Die Generationen leben unter einem Dach. Montserrat und ihre Mutter pflegen die greise Oma, die ihrer Enkelin einen Rat gibt: »Du solltest mal ein Auge auf einen Jungen werfen.«
Frühe Eheschließungen sind in dieser Region nicht ungewöhnlich. Andréa, Mutter der aufgeweckten Luz Ma, lebt mit ihrem Mann zusammen, seit sie vierzehn war. Jetzt besteht ihr aufreibender Alltag aus Haushalt, Kindern, bäuerlicher Arbeit auf dem Feld und im Stall. Ihr Mann ist meist abwesend, er arbeitet als Zimmermann auf dem Bau. Seinen Sohn lehrt er, dass Männer nicht abwaschen. »Dafür gibt es Frauen.« Wiederholen sich Lebensläufe und Familienverhältnisse von Generation zu Generation? Der Eindruck entsteht, wenn Sarahí, die mit Freude jüngere Kinder unterrichtet, nicht aufs Gymnasium darf, weil das Geld nicht reicht, obwohl sie bereits für die Schuluniform gespart hat. Andererseits gibt es Montserrat. Nachdem die geliebte Großmutter verstorben ist, hält sie nichts mehr in El Eco.
Tatiana Huezo verzichtet auf Interviews und Kommentare, lässt die Menschen für sich sprechen, verbal und, in kontemplativen Passagen, durch Gesten und Mimik. »Das Echo« ist kein Direct Cinema im engeren Sinne. Manche Situationen wurden von der Regisseurin zwar nicht inszeniert, aber initiiert, so dass vorweg der ideale Kamerastandpunkt festgelegt werden konnte. Wirkungsvoll: Bildnerisch, auch durch die Montage, kommt »Das Echo« einem Kinospielfilm gleich.
Vor dem Hintergrund aktueller medienpolitischer Diskussionen erwähnenswert: Koproduziert wurde der mehrfach preisgekrönte Film von Arte und dem ZDF. Arte zeigt ihn als Erstaufführung als Teil der Reihe »Die langen Nächte der Lucarne«, eines Programms mit sieben herausragenden Dokumentarfilmen engagierter Regisseurinnen und Regisseure.
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