Kritik zu Thelma – Rache war nie süßer

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Schauspieler und Regiedebütant Josh Margolin beschert der 94-jährigen June Squibb (oscarnominiert für »Nebraska«) ihre erste Hauptrolle und macht sie mit Elektromobil zur ungewöhnlichsten Actionheldin des Jahres

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Wem während des jüngsten »Mission: Impossible«-Films im vergangenen Jahr beim Anblick von Tom Cruise manchmal der Gedanke kam, dass es vielleicht ein Alterslimit für Actionheld*innen geben sollte, muss dringend umdenken. Nicht nur weil Cruise natürlich kein bisschen ans Aufhören denkt. Sondern auch weil nun Thelma mit seiner Hauptdarstellerin June Squibb beweist, dass man auch mit über 90 Jahren nicht zu alt ist, um Verfolgungsjagden zu absolvieren und es mit Gangstern aufzunehmen.

Im ersten langen Spielfilm von Josh Margolin spielt Squibb eine Dame, die von seiner eigenen Großmutter inspiriert ist. Thelma lebt seit dem Tod ihres Mannes allein und ist noch einigermaßen rüstig, kann die Hilfe ihres Enkels Daniel (Fred Hechinger aus »The White Lotus«), der seine Oma so sehr liebt wie sie ihn, trotzdem gut gebrauchen. Und sei es auch nur, wenn es darum geht, das Internet zu nutzen. Das Notfallarmband, mit dem sie selbst in seiner Abwesenheit Hilfe rufen könnte, legt die durchaus sture Rentnerin trotzdem immer nur ihm zuliebe an.

Als eines Tages ein Anruf kommt, dass Daniel nach einem Unfall im Gefängnis säße und ein Anwalt 10 000 Dollar für seine sofortige Hilfe brauche, fällt Thelma prompt auf die betrügerische Masche herein. Die Erleichterung, dass der Enkel nur mal wieder zu lange im Bett gelegen hat, ist groß, doch ihre Wut auf die ihr angetane Ungerechtigkeit noch viel größer. Während ihre Tochter (Parker Posey) erwägt, ob es Zeit sei, sie in einem Heim unterzubringen, beschließt Thelma, auf eigene Faust die Täter auszumachen und sich ihr Geld zurückzuholen. Mit einem bei ihrem alten Freund Ben (Richard Roundtree) entwendeten Elektromobil und einer geklauten Schusswaffe in der Tasche begibt sie sich auf ihre Mission, ohne Daniel oder dem Rest der Familie etwas davon zu sagen.

Wer die Geschwindigkeit kennt, mit dem ein solches Elektromobil unterwegs ist, ahnt vielleicht, welches Tempo »Thelma« anschlägt. Trotzdem liegt nicht falsch, wer den Film als Actionkomödie beschreibt: Hier wird verfolgt, spioniert und auf Rache gesonnen, wie es sich für das Genre gehört. Und wenn im Finale die Titelheldin sich von Ansagen in ihrem Ohr durch einen vollgestopften Antiquitätenladen leiten lässt, um die Betrüger endgültig zu stellen, fühlt man sich nicht umsonst an Cruise und Co. erinnert.

In erster Linie aber ist »Thelma« natürlich ein Feelgood-Film, und hin und wieder zieht sich etwas zu viel Süßlichkeit durch die Geschichte. Auch dass dem Film jenseits von Thelma sämtliche Figuren ein bisschen zu zweidimensional geraten sind, lässt die Geschichte immer mal wieder schwächeln. Auf der Haben-Seite stehen allerdings einige wirklich charmante Gags – und nicht zuletzt June Squibb, die ihre lange Karriere mit dieser ersten Hauptrolle krönt. Thelma ist eine liebevollere Schwester im Geiste ihrer oscarnominierten Rolle in Alexander Paynes »Nebraska«, und für die 94-Jährige eine fantastische Gelegenheit, als wehrhafte Oma endlich die gesamte Bandbreite ihres Könnens zu zeigen.

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