Kritik zu Ein Schotte macht noch keinen Sommer
Mit der Familien-Sitcom »Outnumbered« feierten Andy Hamilton und Guy Jenkin fünf Staffeln lang Erfolge im britischen Fernsehen. Jetzt haben sie ihre Mischung aus genauer Drehbucharbeit und freier Improvisation ins Kinoformat übertragen
»What We Did On Our Holiday« heißt der Film im Original, und anders als der sinnfreie deutsche Verleihtitel vermuten lässt, wird darin kaum auf Schottenklischees herumgeritten. Sonderlich Originelles verheißt der Plot zunächst dennoch nicht: Eine »dysfunktionale« Familie – sprich: Vater Doug und Mutter Abi sind schon eine Weile getrennt und stehen vor anwaltlicher Konfrontation – reist aus London in die schottischen Highlands, um bei der Feier zu Großvaters 75. Geburtstag heile Familie zu spielen, denn man will ja bei solchem Anlass nicht die Stimmung verderben. Die Heimlichtuerei scheitert vorprogrammiert an ihren drei vorlauten Kindern, auch die doch sehr unterschiedlichen Mentalitäten im Clan lassen wenig festliche Stimmung aufkommen. So sind sich der chaotische Doug und sein Bruder Gavin, ein stocksteifer Börsenmakler, alles andere als grün, Gavins Frau Margaret sorgt mit ihren Verzweiflungsausbrüchen für weitere Unruhe. Ein reichlich neurotischer Haufen – bis auf den Opa, der trotz seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung Ruhe und Weisheit ausstrahlt, und dem seine Feier ziemlich egal ist. Ausgerechnet er löst dann bei einem Strandausflug mit seinen Enkeln das perfekte Chaos aus.
Viel muss der graumähnige britische Comedy- und Schauspielveteran Billy Connolly nicht tun, um diesem alten Herrn Würde zu verleihen. Seine Präsenz trägt so manche Szene des Films. Die eigentlichen Stars sind aber weder er noch seine erwachsenen Mitstreiter, darunter Rosamund Pike und David Tennant, sondern die drei Kinderdarsteller. Dank Emilia Jones, Bobby Smalldridge und allen voran die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade mal fünf Jahre alte Harriet Turnbull entfalten schon die ersten, im Stakkato präsentierten Momentaufnahmen des hektischen Aufbruchs der Familie einen Drive von Frechheit und Anarchie.
Die Filmemacher taten gut daran, das Erfolgsrezept schauspielerischer Freiheit von ihrer Sitcom zu übernehmen. So waren zwar die Hauptbestandteile von Szenen festgelegt, ansonsten aber durften insbesondere die Kinder ihre spontanen Einfälle ausleben, und die Kamera lief häufig auch vor und nach den eigentlichen Takes. Diese Freiheit und der Mut zum Makabren, zu »typisch britischem« schwarzem Humor lassen über weite Strecken vergessen, dass der Sprung des »Outnumbered«-Teams ins Kino eher als gescheitert betrachtet werden kann. Nach wenigen Überraschungen nimmt die schlichte Handlung einen länglichen Lauf zum glatten, mit allerlei sympathischen Lebensweisheiten unterfütterten Ende.
Der Film vermittelt dem Zuschauer dabei in rasant geschnittenen und mit Lust gespielten Szenen viel Wissens- und Bedenkenswertes: über einen Stein namens Norman und warum er nicht Auto fahren kann, über das »Magical Kingdom of Lesbia« und über so wichtige Fragen wie: Sollte man bei der Sitzordnung die Bulimiker eher in der Nähe des Büfetts oder in der Nähe der Toiletten platzieren? Und ist es tröstlich, an Krebs zu sterben, weil man damit Alzheimer ein Schnippchen schlägt?
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