Kritik zu Paris Paradies

© Studiocanal

2024
Original-Titel: 
Paradis Paris
Filmstart in Deutschland: 
08.08.2024
L: 
90 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Marjane Satrapi (»Persepolis«) feiert in ihrem Episodenfilm nicht nur die Schönheit der Stadt Paris, sondern auch das vertraute Motto »Carpe diem!« 

Bewertung: 3
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Welcher Ort wäre wohl besser geeignet, um von der Lebenslust im Angesicht des Todes zu erzählen, als Paris? Das Klischee kennt die Stadt an der Seine als die Stadt der Liebe; und schon stellen sich Bilder glücklicher Menschen ein, die am Flussufer Rotwein trinken und lachend in Baguettes beißen – unbekümmert um die Endlichkeit des Seins und die Mühsal alltäglicher Existenz nicht achtend. Nichts wie her also mit dem Kontrast! Auf dass besonders deutlich zutage trete, was gemeinhin so gern verdrängt wird: Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Daher gilt: Carpe diem! Nütze den Tag! Eine so tiefe wie banale Erkenntnis, die sich ohne viel Mühe aus »Paris Paradies« ziehen lässt, dem mittlerweile sechsten Langfilm der Comiczeichnerin, Illustratorin, Kinderbuchautorin und Filmemacherin Marjane Satrapi.

Satrapi, 1969 im Iran geboren, studierte unter anderem in Wien, 1994 emigrierte sie endgültig nach Frankreich, wo sie mittlerweile in der Hauptstadt lebt. Ihren Durchbruch und zugleich ihren bis dato größten Erfolg feierte sie 2008 mit dem oscarnominierten Animationsfilm (nach ihrer eigenen Graphic Novel) »Persepolis«. Zuletzt inszenierte sie mit Rosamund Pike in der Titelrolle das Biopic »Marie Curie« (2019). Es sei eine kürzliche eigene Erfahrung gewesen, so Satrapi, die sie dazu bewogen habe, in ihrer nunmehr Heimatstadt ein Plädoyer der Lebensfreude in Szene zu setzen.

Ihr Blick auf Paris verzeichnet zum einen brav die touristischen Wegmarken, vermittelt zum anderen aber auch Insideransichten; daraus entsteht ein Parisfilm, der der Schönheit der Stadt ebenso huldigt, wie er ihre luftig-schwungvolle Atmosphäre einfängt. Bittersüß – noch so ein Klischeewort – geht es nun zu, wenn das nur ganz sanft überzeichnete Personal seine losen und mit leichter Hand ineinandergeschlungenen Abenteuer erlebt. Was nicht heißt, dass diese auf die leichte Schulter zu nehmen wären.

Nehmen wir beispielsweise die herzergreifende Geschichte der Operndiva, die versehentlich für tot erklärt wird, sehnsüchtig auf ihren Nachruhm in Gestalt von Nachrufen wartet, nur um dann festzustellen, dass sie bereits von allen vergessen ist; zum Glück hat sie einen Ehemann, der sich wahrhaft rührend bemüht, sie zu trösten. Oder die Geschichte des suizidalen Teenagermädchens, das von einem sadistischen Entführer von der Brücke gepflückt wird, von der es sich hatte stürzen wollen; und diesem nun mit einem sturzbachartigen Redeschwall die perverse Tour vermasselt. Es gibt den schwulen Make-up-Artisten, der sich ausgerechnet in einen Hetero-Stuntman verliebt; den Fernsehmoderator, dem der Hausarzt das gefürchtete Todesurteil verkündet; die kettenrauchende Großmutter, die mit Gott um noch ein paar mehr Jahre feilscht. Und sie alle versuchen, unter den Schlägen des Schicksals Haltung zu bewahren, denn was bleibt einem anderes übrig? Und deswegen ist dieser etwas widerborstige, in einem Touristenmagneten angesiedelte Episodenfilm am Ende ein ziemlich kitschfreier und doch recht weiser Beitrag zum Rätsel der menschlichen Existenz.

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