Kritik zu Das leere Grab

© Salzgeber

Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner begleiten Familienangehörige von Opfern deutscher Kolonialverbrechen bei der Spurensuche

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

»Das nie endende Begräbnis« wird die Sache in der Familie genannt. Denn die religiöse Trauerzeit geht eigentlich nur vierzig Tage. Doch der Schädel von Nduna Songea Mbano wurde nicht mit den anderen Gebeinen in der Grabstätte seiner Familie in Tansania beigesetzt. Denn Nduna Mbano wurde – mit sechs anderen Mitgliedern der Familie und über hundert am Ort – Anfang des 20. Jahrhunderts im Maji-Maji-Krieg als Anführer von den deutschen Kolonialisten an einem Baum mitten im Dorf erhängt. Dann ließen sie ihm auf Geheiß Berliner Wissenschaftler den Kopf abschlagen, um ihn in ihre dortige Sammlung zu verschleppen. Einige vergebliche Anläufe, den Schädel ausfindig zu machen, hat die Familie seither unternommen. Jetzt macht sich sein Urenkel John Mbano auf die Reise nach Berlin in dem festen Willen, die offene Wunde zu schließen.

Auch die Familie von Mangi Lobulu Kaaya in Meru am Kilimandscharo vermisst den Schädel eines Ahnen. Sie hat ausfindig machen können, dass er sich im American Museum of Natural History in New York befindet, und versucht, ihn nach Hause zu bringen. Unterstützt werden sie bei ihrer Unternehmung von Mnyaka Sururu Mboro, der in Berlin seit Jahrzehnten für die Anerkennung kolonialer Verbrechen kämpft und sich für die Umbenennung von nach Kolonialtätern wie Carl Peters genannten Straßen im sogenannten Afrikanischen Viertel starkmacht.

Auch John Mbano und Ehefrau Cecilia Mollel nehmen bei ihrem Berlinbesuch an der symbolischen Umbenennung der Petersallee in Maji-Maji-Straße teil. Beim Besuch der Afrika-Abteilung des Humboldt-Forums macht erstes Amüsement bald dem Erschrecken Platz, als sie eine ganze Gruppe tansanischer Götterfiguren in einen Glaskasten gequetscht und ausgestellt sehen. Dafür gibt sich die grüne Staatsministerin Katja Keul bei einem Treffen glaubwürdig betroffen und verbindlich – und offenbart sich nebenbei als Nachfahrin früherer Kolonialisten. Auch im Depot des Archäologischen Zentrums der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist man kooperativ, und John kann eine DNA-Probe zur Ermittlung eventueller Verwandtschaft abgeben.

Das junge deutsch-tansanische Regieduo aus Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner verknüpft unterschiedliche Schauplätze zu einem dichten Mosaik, das offene Stellen zum Weiterdenken lässt. Dabei lassen auch Schulstunden von Lehrerin Cecilia Mollel in Songea und Mnyaka Sururu Mboro in Berlin die Vermittlung von Wissen und Emotionen einfließen. Das Erschrecken über die Gewalttaten ist auf beiden Seiten groß, nur dass bei den Tansaniern noch Wut und bei den deutschen SchülerInnen Scham dazukommt. Und die im Film mehrfach geäußerte Frage, warum diese Aspekte der deutschen Geschichte im Schulunterricht bisher kaum vorkommen. Am Ende kommt der Bundespräsident selbst nach Tansania und fährt mit Eskorte zu einem offiziellen Besuch bei der Maji-Maji-Gedenkstätte vor. Seiner Bitte um Verzeihung wird applaudiert. Doch die Frage nach möglichen Reparationen für die erlittenen Schäden steht im Raum.
 

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt