Kritik zu This Kind of Hope

© Real Fiction Filmverleih

2023
Original-Titel: 
This Kind of Hope
Filmstart in Deutschland: 
01.02.2024
L: 
83 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der schweizerisch-polnische Regisseur Pawel Siczek porträtiert den belarussischen Exilpolitiker Andrei Sannikov und wirft in der Rekapitulation der Geschichte der belarussischen Unabhängigkeit auch ein neues Licht auf den Ukrainekrieg

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Was Freiheit ist, fragt Andrei Sannikov seinen Sohn. »Das ist, wenn ein Tier aus seinem Käfig ausbricht«, antwortet der Fünfjährige spontan. Kurze Zeit später sitzt der Vater in einem Zwinger. Das war 2010. Bei der Präsidentschaftswahl in Belarus hatte Sannikov den Amtsinhaber Lukaschenko herausgefordert. Als er gemeinsam mit Tausenden gegen den manipulierten Wahlsieg seines Gegners auf die Straße ging, sperrte man ihn für einen telegenen Schauprozess in einen Käfig. Wegen »Organisation von Massenunruhen« musste er daraufhin drei Jahre ins Gefängnis. Inzwischen lebt er im politischen Asyl in Warschau.

Nun hat Pawel Siczek, ein schweizerisch-polnischer Regisseur, den weißrussischen Oppositionspolitiker mit der Kamera begleitet. Sein Film ist mehr als nur ein Porträt. Siczek verknüpft die persönliche Geschichte Sannikovs mit einem aufschlussreichen historischen Abriss. Sein Film spannt einen Bogen von der friedlichen Auflösung der Sowjetunion Ende 1991 bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs. In diesem Konflikt spielt Sannikovs Heimatland eine Schlüsselrolle, weil Belarus zum autoritären Staat wurde, der nun Russlands Militarismus unterstützt.

In einem persönlichen Rückblick, dokumentiert mit einer Fülle von Archivfilmen, rekapituliert Sannikov, wie schleichend das Abdriften seines Landes in den Totalitarismus erfolgte. Wer sollte es besser wissen als er? Unter Lukaschenko, der 1994 bei der letzten freien Wahl ins Amt kam, war Sannikov zwei Jahre lang Vize-Außenminister. Unter anderem rüstete er eines der weltweit gefährlichsten Atomwaffenarsenale ab. Allein das ist eine abenteuerliche Geschichte. Denn niemand wusste damals genau, wie viele Kernwaffen das Land überhaupt besaß und wo sie sich befanden.

Der allmähliche Umsturz des Landes erfolgte in kleinen Schritten. Zunächst, so Sannikov, wurde Lukaschenkos Bild in allen Büros aufgehängt. Regierungsbeamte sprachen nur noch im engsten Freundeskreis über ihre Ansichten. Schließlich verübten Oppositionelle wie beispielsweise Oleg Bebenin unter fragwürdigen Umständen Selbstmord.

Beim Zusehen spürt man, wie tief Sannikov all das in den Knochen steckt. Und so hört man dem passionierten Politiker inte­ressiert zu, wenn die Kamera ihn zu diplomatischen Verhandlungen begleitet, wo er als Vorsitzender der Bürgerbewegung »Europäisches Belarus« unermüdlich um Solidarität für sein Land wirbt.

Aufgeben und zu Kreuze kriechen? Gewiss, dann könnte er mit Frau und Sohn zurückkehren aus dem zermürbenden Warschauer Exil. Vielleicht würden sie ihn sogar in Ruhe lassen, wenn er den Mund hielte. Wenn man aber kaltgestellt ist und nicht mehr »diese Art Hoffnung« hat, der der Film seinen Titel verdankt, dann ist es ein stumpfes Leben. Genau dieses Feuer, das in Sannikov brennt, springt in diesem sehenswerten Film über. »This Kind of Hope« ist ein fesselndes Politikerporträt, das die Schnittstelle zwischen Europa und Russland aus einer weniger bekannten Perspektive ausleuchtet.

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