Kritik zu The Iron Claw
Sean Durkin erzählt das tragische Schicksal einer Wrestlingfamilie aus Sicht eines Überlebenden. Nach einer wahren Geschichte
Zuerst fallen diese unsäglichen Achtzigerjahre-Frisuren auf. Dann die Männer, die fast aus der geölten, gebräunten Muskelmasse herauszuplatzen scheinen. Fleisch- und Muskelklopse, die sich im Ring aufeinanderkrachen lassen. Dazu der Vater, mit einem Schrank voller Waffen und Preisstatuetten und einem Mund voller Durchhalte- und Siegerparolen. Aus diesen Zutaten einen Film zu bauen, der das Herz am richtigen Fleck hat, der emotional und berührend ist, das ist eine Kunst.
Sean Durkin ist leidenschaftlicher Fan der Wrestlingszene, aber eben auch der Regisseur von Filmen wie »Martha Marcy May Marlene«, über eine junge Frau, die sich aus den Fängen eines Hippiekults befreien muss, oder »The Nest – Alles zu haben ist nicht genug«, über einen Engländer, der seine Familie aus der Komfortzone der amerikanischen Vorstadt in seine alte Heimat verpflanzt. Auch in Durkins neuestem Film geht es um hohe Ziele, brüchige Hoffnungen und zerschellte Träume.
»The Iron Claw« spielt in den 1980ern. Der Kanadier Durkin erzählt die wahre Geschichte der vier texanischen Von-Erich-Brüder Kevin (Zac Efron), Kerry (Jeremy Allen White), David (Harris Dickinson) und Mike (Stanley Simmons), die gemeinsam mit ihrem Vater die Profi-Wrestling-Szene aufgemischt haben. »Seit ich ein Kind war, erzählten sich die Leute, dass über meiner Familie ein Fluch lastet«, sagt am Anfang des Films der von Efron gespielte Kevin, und setzt damit den unheilschwangeren Unterton des Films. »Unsere Mutter versuchte uns mit Gott zu schützen, unser Vater versuchte uns mit Wrestling zu schützen. Er sagte, wenn wir die härtesten und stärksten seien, könne uns niemand etwas antun. Ich glaubte ihm. Wir alle taten das.« Mit militärischer Schleifer-Mentalität drillt der von Holt McCallany (Mindhunter) gespielte Vater seine Söhne, und zieht einen nach dem anderen in seine eigene Wrestlingarena in Dallas. Gleich mehrfach sollen seine Jungs den Weltmeisterschaftsgürtel in die Familie holen.
In einer Welt, in der noch ganz ungebremst Männlichkeitsrituale gefeiert werden, erzählt Durkin von Gefühlen, von Freundschaft, Liebe und Familie, von Verlust, Trauer und Schmerz. Damit unterläuft er die Regeln eines klassischen Sportdramas ebenso wie die toxischen Männlichkeitsbilder der Wrestlingszene. Hier geht es eben mal nicht um den unerbittlich hart und gegen jede Wahrscheinlichkeit erkämpften Triumph, sondern vor allem darum, wie die Jungs mit den Forderungen des Vaters und einer Serie fürchterlicher Schicksalsschläge ringen.
Vier der insgesamt fünf Brüder sterben jung, zwei davon begehen Selbstmord. Im Grunde ist der Film die Überlebensgeschichte des ältesten Von Erich und es ist kein Zufall, dass der einzige Lichtblick in dieser düsteren Männergeschichte eine Frau ist: Wie ein kleiner Sommersturm fegt Pam (Lily James) ins Schicksal von Kevin, mit ihrem liebenswert mitreißenden Charme hellt sie nicht nur sein Leben, sondern auch dieses düstere Familien- und Sportdrama auf.
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