Kritik zu Leere Netze

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In seinem Langfilmdebüt thematisiert der iranisch-deutsche Regisseur Behrooz Karamizade die Perspektivlosigkeit der iranischen Jugend in einer korrupten, in ihren Konventionen erstarrten Gesellschaft

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Vor gut zwei Jahren, also vor dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini und den darauffolgenden Protesten gegen das Mullah-Regime im Iran, erhielt Behrooz Karamizade für sein Drehbuch von »Leere Netze« den deutschen Filmpreis Lola in Gold. Für Arte und das Kleine Fernsehspiel des ZDF konnte er seinen Film im Iran und mit iranischen Darstellern in der Landessprache Farsi realisieren – was angesichts der scharfen Repressionen später wohl nicht mehr möglich gewesen wäre.

Schon die ersten Einstellungen umreißen den Konflikt: Während der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Amir (Hamid Reza Abbasi) sich an einem Strand am Kaspischen Meer im Wasser austobt, schaut seine Freundin Narges (Sadaf Asgari) von einem Felsen aus zu. Schwimmen schickt sich für die junge Frau aus wohlhabender Familie nicht. Narges stellt diese Konvention genauso wenig infrage wie später die Entscheidung ihres Vaters, Amirs Werbung abzulehnen. Als Amir mit seinem Motorrad an Narges’ Haus vorbeifährt, wird er in einer engen Gasse von einem SUV abgedrängt, in dem ein anderer, standesgemäßer Brautwerber mit seiner Familie sitzt. 

Solche unaufdringlich symbolträchtigen Bilder findet Behrooz Karamizade immer wieder, um die erstarrten Strukturen der iranischen Gesellschaft abzubilden. Karamizade stellt in dieser Liebesgeschichte jedoch nicht die Situation der Frauen im Iran in den Mittelpunkt. Die Figur der Narges gewinnt als Charakter wenig eigene Konturen. Auf den Demonstrationen des letzten Jahres hätte man sie wohl kaum angetroffen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht Amir, Kellner bei einem Hochzeitsveranstalter, und dessen Versuch, das Brautgeld für eine erfolgreiche Werbung zusammenzubekommen. Als Amir sich mit seinem Chef anlegt, ist er mit dem Job auch seine Zukunftsperspektive los und verdingt sich bei einem dubiosen Fischereiunternehmen. Dort wird er, als guter Schwimmer, alsbald in illegale Störfischerei verwickelt.

Regisseur Karamizade arbeitet mit starken Kontrasten. Den wenigen Tageslichtszenen zu Beginn setzt er die nächtlichen Aktionen der Fischer entgegen, auch die Innenräume sind oft in ein trübes Licht getaucht (Kamera: Ashkan Ashkani). »Leere Netze« ist ein iranischer Film noir als Metapher für ein in Dunkelheit versinkendes Land. »In diesem Land landet man immer in einer Sackgasse«, sagt der verfolgte Journalist Omid (Keyvan Mohammadi), Amirs Zimmergenosse, der sich die Hilfe der Fischer erkaufen will, um über das Meer ins Ausland zu gelangen. Flucht als Ausweg aus der Perspektivlosigkeit. Der Film braucht keine plakative Anklage, um diese Zustände sichtbar zu machen. Karamizade bezieht aber zuweilen einen etwas schematischen klassenkämpferischen Standpunkt. Ohne die Gegensätze allzu sehr zuzuspitzen, sind die Rollen in »Leere Netze« klar zugewiesen: Auf der einen Seite die blasierte Oberschichtfamilie, die geldgierigen Geschäftemacher und kriminellen Fischer, auf der anderen Amir und seine arme, aber aufrechte Mutter (Pantea Panahiha). Sie gibt ihm einen Rat mit auf den Weg, den sich Amir schließlich zu Herzen nimmt: »Schwimme oder versinke!«

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