Kritik zu Holy Shit

© Farbfilm Verleih

2023
Original-Titel: 
Holy Shit
Filmstart in Deutschland: 
30.11.2023
L: 
90 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Eine Reportage zur Propagierung eines veränderten Umgangs mit menschlichem Kot: »Put poop back into the loop!«

Bewertung: 3
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Das südschwedische Ystad kennen die meisten Menschen wohl durch die Krimis um den kämpferischen Kommissar Kurt Wallander. Körperlich und mental von ähnlicher Statur ist ein für die reale Welt wohl bedeutenderer Bewohner der Stadt, der schon in den 1960ern die ohne Spülung funktionierende moderne Trockentoilette erfand und seitdem weiter entwickelte. Carl Lindstrom ist eine der Best-Practice-Stationen dieses Films, der in der Kanalisation von Paris beginnt und dann nach Chicago zu einer riesigen Kläranlage reist, von wo im Jahr 600 000 Tonnen Klärschlamm auf eine Kippe verbracht und dann gratis an die Landwirtschaft verteilt werden: 75 Güterwagen pro Tag. Das klingt gut, hat aber fatale Nebenwirkungen. Für die steht ein Viehwirt in Maine, der das offiziell unbedenkliche »Biosolid« seit 1983 zur Düngung nutzte. Zwanzig Jahre später wurde er vom örtlichen Wasserwerk informiert, dass Boden, Wasser, Milch und Fleisch hochgradig mit Chemikalien verseucht seien und nicht mehr von Menschen genutzt werden dürfen. Grund sind industrielle Einleitungen, die in der Kläranlage nicht abgebaut werden können.

Für Regisseur Runén Abruña ist dies Anlass, die selbstverständliche Vorstellung vom WC als Krönung menschlicher Hygiene-Standards grundsätzlich in Frage zu stellen: Da ist einmal die enorme Verschwendung von Trinkwasser zum Spülen. Für noch symptomatischer für unser problematisches Verhalten zum eigenen Exkrement hält er aber die parallel erfolgende Degradierung von wertvollem organischen Dünger zu Abfall. 

Das es auch anders geht, zeigen verschiedene Systeme zum Sammeln von Exkrementen vom Massai-Dorf bis zu einer Genfer Hochhausanlage. In einem Hamburger Quartier mit 800 Wohnungen wird menschliche Kacke zur Energieproduktion genutzt. Und im brandenburgischen Eberswalde sammelt »finizio«-Geschäftsführer Florian Augustin Daten, um der deutschen Bürokratie technische und rechtsfeste Standards für die Verwendung menschlicher Fäkalien zu liefern.  

Am inspirierendsten aber sind die Givelove-AktivistInnen um Sabiiti Isaac und Patrick Mavo vom »Ghetto Research Lab« in Kampala, die mit viel Energie und Laune (und einem Rap zum Thema) die Verbreitung von Plumpsklos propagieren. Das kompostierte Ergebnis wird dann zu Pellets verarbeitet, die die Ernten von Kleinbauern verdoppeln. Mavo betont auch die Bedeutung ökonomischer Unabhängigkeit von der globalen Chemieindustrie.

Der im Film von einem britischen Unternehmer geäußerte Grundgedanke, dass der Mensch sich endlich als Teil der Natur und nicht als ihr Beobachter verstehen müsse, überzeugt. Leider bleiben in dem von Valentin Thurn ko-produzierten und von Regisseur Abruña mit sich selbst als Presenter konventionell inszenierten Film die konkreten wissenschaftlichen und rechtlichen Hintergründe des Komplexes eher vage. Wieder einmal wären wohl ein paar Schauplätze weniger im Ergebnis mehr gewesen. Doch das wichtige Ziel, mehr Öffentlichkeit zum Thema herzustellen, dürfte der Film auch durch seinen Humor erreichen.

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