Komödie der Eitelkeiten
Die Karriere dieses Filmemachers ist ein Wunder der Zähigkeit. Noch immer ist Costa-Gavras ein Unentwegter, der darauf besteht, dass das Kino von politischen und sozialen Konflikten erzählen sollte, die sonst durch das grobmaschige Netz der Unterhaltung fallen würden. Für ihn hört der Kampf nicht auf.
Sein bisher letzter Film »Adults in the Room« (2019), den das Österreichische Filmmuseum am 13. Oktober in Anwesenheit des Regisseurs zeigt, offenbart freilich daneben noch eine andere Seite des Regisseurs. Immerhin unterschätzt allzu leicht die Rolle, die der Humor in seinem Kino spielt. Sein Regiedebüt »Mord im Fahrpreis inbegriffen« steckt voller Bizarrerie und Charakterkomik, die Partisanen in seinem nächsten Film »Ein Mann zuviel« besitzen viel Mutterwitz, die Obristen in »Z« sind lächerlich in ihrer Niedertracht, die man ihnen schon am Gesicht ansieht. Seine Krimikomödien (»Ehrbare Ganoven« und »Die Axt«) sind nicht ohne, Aber so schizophren wie »Adults in the Room«, der von der drakonischen Austeritätspolitik in der EU handelt, war bislang noch keine seiner Arbeiten. Er ist zornig und heiter zugleich, eine Komödie der Eitelkeiten. Der Widerspruch zwischen Thema und Ästhetik ist grandios.
Wie so oft bei Costa-Gavras steht der üble Ausgang der Geschichte schon fest – Griechenland muss sich 2015 dem neoliberalen Diktat der europäischen Troika beugen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (auf dessen Buch der Film basiert) steht einer unbezwingbaren Übermacht gegenüber. Wolfgang Schäuble, den Ulrich Tukur eisig und schneidend spielt, gibt von Anfang an den Ton in der Europäischen Gruppe an. Als er vom Wahlsieg der Linken in Griechenland erfährt, droht er sogleich: "Die schmeißen wir aus dem Euro!". Bei ihrer ersten Begegnung verweigert er demonstrativ die Begrüßung; bei einer späteren Versammlung inszeniert Schäuble sein verspätetes Kommen als einen Triumphzug: Die Ränge, die zuvor leer waren, füllen sich nun mit seinen Gefolgsleuten.
Costa stellt dem bald eine andere Erzählstrategie entgegen. Der Außenseiter Varoufakis, der keine Verbündeten findet, ist fortan der Einzige, der sich bei Versammlungen, Konferenzen und in den Kulissen frei und selbstbestimmt bewegt. Mit provozierendem Selbstbewusstsein nimmt er jeden Raum in Besitz. Sein Regisseur lässt sich von dieser Freizügigkeit beherzt ins Schlepptau nehmen. Einmal schwirren Zahlen und Bilanzen als Spezialeffekt, als muntere Animation, über die Köpfe der Verhandlungspartner. Später formieren sich Varoufakis' Gegenspieler zu einer hinreißenden Choreografie, in deren Mitte Angela Merkel steht.
Costa unterläuft die Klaustrophobie, in dem er entscheidende Szene außerhalb der Sitzungssäle spielen lässt. Einmal formiert sich ein Heer jugendlicher Demonstranten vor einem Restaurant in Athen, bezieht schweigend Stellung und verschwindet dann ebenso still wieder. Solch surrealen Interventionen nehmen dem Film nichts von seiner Gravitas - er ist zutiefst verzweifelt-, aber kontern diese mit einer rauschhaft entfesselten Filmsprache. Seit seiner Premiere auf dem Festival in Venedig ist dies ein ungeliebter Film geblieben, der kaum irgendwo herauskam (ich kenne nur die französische DVD), die Vorführung in Wien ist eine seltene. kostbare Gelegenheit.
Vor ein, zwei Jahren ging durch die Nachrichten, das Griechenland mittlerweile seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds getilgt hat. Die Staatsverschuldung ist nach wie vor erdrückend hoch. Der Kampf geht weiter.
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